: Schwere Suche nach dem europäischen Grün
■ Grüne Parteien aus Ost- und Westeuropa debattieren in Straßburg über ihre Rolle in der Politik des Kontinents
Aus Brüssel Michael Bullard
Europas Grüne treffen sich seit gestern für drei Tage in Straßburg, um ihre „Rolle in Europa und der Welt“ zu diskutieren. Grund genug für einen Teil der westdeutschen Grünen, das „Grüne Parlament Europas“ boykotieren zu wollen. Es sei schließlich eine „Prommiveranstaltung“, weil in erster Linie grüne Volksvertreter und kaum Aktivisten geladen sind. Außerdem hätten die „showgeilen französischen Grünen“ das Treffen initiiert, die keinesfalls über das Nord -Süd-Problem diskutieren wollten. Und vollends unmöglich seien die mittelosteuropäischen Gäste mit ihrem verqueren „grünen Nationalismus“. Gesagt haben will das natürlich niemand, statt dessen wird das verspätete Eintreffen einer offiziellen Einladung als Grund für die zögerliche Teilnahme genannt. Westdeutsche Grüne tun sich eben nicht nur mit den innerdeutschen Veränderungen schwer. Aus Angst vor unziemlichen Kompromissen und der Aufgabe liebgewonnener Positionen zieren sie sich jetzt auch bei der Diskussion über eurogrüne Ansätze zur Neuordnung Europas.
An dem Grünen Europarlament werden trotzdem Grüne aus allen europäischen Ländern teilnehmen, sogar aus Albanien. Neben traditionell grünen Themen wie „Frieden und Abrüstung“, geht es um „Demokratie und Institutionen für Europa“. Statt „rückfälliger Klagsamkeit“ fordert Referent Aribert Rothe vom Netzwerk Arche aus der DDR die Teilnahme der Grünen bei der Entwicklung des „grenzenlosen Europas“, um die „verbleibende Biosphäre zu retten, und die Zweidrittelwelt zugunsten einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung“ zu verändern. Das soll jedoch nicht durch die Schaffung einer „Grünen Internationalen“ erreicht werden. Der Mitinitiator des Grünen Europarlaments und Vizepräsident der Grünen im Europarlament, Yves Cochet, will vermeiden, daß der Eindruck entsteht, auch die Grünen wollten in Anlehnung an die Sozialistische Internationale die Entstehung eines Netzes von grünen Organisationen durch die Schaffung eines „großen Bruders“ verhindern. Diesen großen Bruder gibt es allerdings bereits, wie bei einem Treffen des Verbands der „Europäischen Grünen“ vor zwei Wochen deutlich wurde. Der Club war 1984 gegründet worden. 22 grüne Parteien, hauptsächlich aus Westeuropa, sind Mitglied. Die grünen Parteien aus den anderen Ländern Osteuropas, der Türkei, Kanadas, der USA und Neuseelands haben nur Beobachterstatus.
Für den polnischen Grünen Zygmunt Fura ist es „politisch nicht verständlich“, warum den osteuropäischen Grünen nicht die volle Mitgliedschaft zugestanden wird. Seiner Meinung nach sind die West-Grünen nicht auf die Entwicklung ihrer Schwesterparteien im Osten vorbereitet: „Sie befürchten, daß das Zentrum grüner Politik Richtung Osten wandert und sie ihre dominante Position verlieren.“ Der Vorsitzende der Europäischen Grünen, Leo Cox aus Belgien, hält dagegen, daß das Programm und die politischen Absichten vieler Grüner Osteuropas noch unklar sind. „Die Ablehnung der Kernkraft ist für uns ein Essential. Die Grünen der CSFR und Rumäniens haben sich in dieser Frage jedoch noch nicht festgelegt.“ Trotzdem prophezeit er, daß die „Osteuropäer bis Ende des Jahres Mitglieder“ sind. Wichtiger als die Beitrittsdebatte ist für ihn das Problem, das auch bei der Vorbereitung des Grünen Parlament Europas deutlich wurde: „Wir sind immer noch nicht in der Lage, die großen politischen Themen zu beeinflußen.“
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