Schweizer Atomlobby kauft Stimmen: 7,50 Franken pro Unterschrift

Die Atomlobby in der Schweiz will das AKW-Verbot im Land kippen. Die Stimmen für eine Abstimmung organisiert ein Dienstleister.

Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt mit Dampf

Eine Initiative möchte mehr davon: Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt Foto: Philipp von Dittfurth/dpa

FREIBURG taz | In der Schweiz will eine Volksinitiative mit dem Namen „Blackout stoppen“ das bestehende AKW-Neubauverbot kippen. Dafür sind ihr offenbar auch zweifelhafte Mittel recht. Nun wurde bekannt, dass die Verantwortlichen sich die dafür notwendigen Unterschriften zum Preis von 7,50 Schweizer Franken durch einen Dienstleister beschaffen lassen.

In der Schweiz, dem Musterland der direkten Demokratie, kann jeder Bürger einen Volksentscheid auf den Weg bringen, wenn es ihm gelingt, innerhalb von 18 Monaten 100.000 gültige Unterschriften für sein Anliegen zu sammeln. Doch das ist mühsam und braucht viele Unterstützer.

Wer genug Geld hat, kann einen leichteren Weg gehen: Aktuell sorgen Berichte in Schweizer Medien für Aufsehen, wonach der „Energie Club Schweiz“, der mit „Blackout stoppen“ für die Rückkehr zur Atomkraft in der Schweiz kämpft, die Unterschriftensammlung über ein Stiftungskonstrukt gegen Bezahlung von einem Auftragnehmer erledigen lässt. Wie das Schweizer Fernsehen SRF berichtete, haben die Atomlobbyisten im Dezember 2022 über den Verein „Incop Schweiz“ mit Sitz in Lausanne 10.000 Unterschriften für gut 75.000 Schweizer Franken eintreiben lassen. Die betreffende Rechnung wurde durch eine E-Mail-Panne öffentlich.

„Kauft sich die Atomlobby eine Initiative?“ fragt nun der SRF. Die Verantwortlichen rechtfertigen sich: „Wie es bei Initiativen und Referenden üblich ist, werden Sammler für ihre Arbeit entschädigt.“ Für die Unterschriften selbst, so versichert der Verein, werde nicht bezahlt.

Verein gibt sich staatstragend

Auf seiner Homepage gibt sich der 2015 gegründete Verein gar staatstragend. Er unterstütze „Maßnahmen zugunsten der direkten Demokratie vor allem durch die Entsendung von Freiwilligen“. Diese erklärten den Bürgern, wie ein Referendum funktioniere und trügen durch das Sammeln von Unterschriften zur Anregung der öffentlichen Debatte bei.

Die Praxis sieht aber offenbar anders aus. Wie der SRF berichtet, habe es in der Vergangenheit wiederholt Kritik an Incop gegeben. Sammler sollen sich Unterschriften auch mit komplett falschen Angaben erschlichen haben. Aufgrund solcher Vorkommnisse stößt das bezahlte Sammeln durch Dienstleister in der Schweiz zunehmend auf Widerstand; die Kantone Genf und Neuenburg haben es inzwischen verboten.

Ein anderes Thema des aktuellen Vorstoßes ist die Transparenz des Anliegens selbst. Denn in dem offiziellen Initiativtext kommt die Atomkraft gar nicht vor. Man will lediglich die Schweizer Bundesverfassung um einen harmlos klingenden Satz ergänzen: „Alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung sind zulässig.“ Man will offenbar niemanden mit dem wahren Anliegen verschrecken.

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