Schweinegipfel in Hannover: Es bleibt blutig
Ferkel dürfen zwei weitere Jahre ohne Betäubung kastriert werden. In Niedersachsen überlegen sich die Schweinehalter nun, was das für sie bedeutet.
Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) war eine der lautesten Stimmen, die eine Verlängerung der Frist für die Landwirte gefordert hatte. Am Montag traf sie sich in Hannover mit Branchenvertretern zum Schweinegipfel, um die Herausforderungen für die nächsten zwei Jahre zu besprechen.
So richtig konkret wurde das allerdings nicht. Es solle nun geklärt werden, wer was wann mache, so Otte-Kinast. Der Bund müsse die Voraussetzungen für den sogenannten vierten Weg schaffen, die Kastration mit Betäubung. Das Mittel für die Lokalanästhesie müssten für Schweine erlaubt und diese ohne Tierarzt möglich werden. Zudem müsse über finanzielle Hilfen für Bauern nachgedacht werden. „Wir können die schweinehaltenden Betriebe nicht mit den Kosten alleine lassen. Der Tierschutz ist gesellschaftlich gewollt“, sagt Otte-Kinast.
Weil einige Eber einen unangenehmen Geruch entwickeln, kastrieren Schweinehalter sie – bisher ohne Betäubung. Es gibt jedoch andere Wege:
Bei der Jungebermast werden die unkastrierten Tiere vor dem Einsetzen der Pubertät mit geringerem Gewicht geschlachtet.
Kastrationen mit Betäubung dürfen derzeit nur von Tierärzten vorgenommen werden. Landwirte wollen die Lokalanästhesie künftig selbst machen, der sogenannte vierte Weg.
Tierschützer befürworten zweimalige Impfungen gegen den Ebergeruch.
Sie selbst wolle für das Fleisch von Ebern werben – also der Tiere, die nicht kastriert wurden. „Der Geruch von Ebern hängt in vielen Köpfen“, sagt sie. Es brauche eine Kampagne, damit die Landwirte das Fleisch besser los würden. Schon ihre eigene Wortwahl ist aber nicht gerade Reklame: Es sei „weicheres, glibberiges Fleisch“.
Ob Verbraucher in Niedersachsen Eberfleisch kaufen, ist aber eher nebensächlich. „Wir müssen das ganze Schwein verkaufen“, sagt Heinrich Dierkes von der Interessensgemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands. Nur die Edelstücke blieben hier, die Füße gingen nach China und die Mittelstücke nach Korea. „Wir brauchen Akzeptanz auf allen Märkten, um unser Schwein zu vermarkten“, sagt Dierkes. In Asien verkaufe sich geimpftes Schwein nicht.
Tierschützer kritisieren, dass die betäubungslose Kastration verlängert wurde. Die Branche habe genug Zeit gehabt. „Man klammert sich an die Produktion von Billigfleisch“, sagt Dieter Ruhnke vom Deutschen Tierschutzbund.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn