Schwedisches Gesetz über ärztliche Versorgung: Illegalen-Behandlung nur gegen Geld
Ein neues Gesetz in Schweden garantiert illegal im Land lebenden Ausländern das Recht auf eine medizinische Versorgung. Doch dafür müssen sie zahlen.
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STOCKHOLM taz Haben alle Menschen den gleichen Wert? Über diese Frage debattierte am Dienstag tatsächlich das Parlament in Stockholm. Denn ausgerechnet Schweden, das sich ansonsten gerne als humanitäres Weltgewissen sieht, ist ein Land, in dem "Papierlose" - abgewiesene Asylsuchende, die untergetaucht sind oder andere illegal im Lande lebende AusländerInnen - eine deutlich schlechtere Stellung haben als in anderen EU-Ländern. Bislang war ihnen nicht einmal das Recht auf eine Krankenbehandlung sicher.
Lediglich für den Fall eines "unmittelbaren und akuten Bedarfs" gab es dieses Recht. Und was "akut" genau bedeutet, das interpretierten einzelne Krankenhäuser oder ÄrztInnen höchst unterschiedlich. Vor allem aber haben die "Papierlosen" kein Recht auf eine kostenlose Behandlung, wie alle SchwedInnen und sich legal im Lande aufhaltenden AusländerInnen. Diese müssen nur eine Selbstbeteiligung von 15 bis 25 Euro zahlen. Demgegenüber werden den "Illegalen" Rechnungen präsentiert, die sich für eine Entbindung schon auf umgerechnet 2.500 Euro belaufen können.
Dieser Zustand wird nicht nur von der UN-Menschenrechtskommission seit längerem kritisiert, sondern auch von den Beschäftigten im Gesundheitswesen als beschämend angesehen. In den vergangenen Jahren hatte sich ein Netzwerk von ÄrztInnen gebildet, die regelmäßig kostenlose Sprechstunden veranstalten und dafür sorgen, dass "Papierlose" in Krankenhäuser kommen und dort bei Bedarf kostenlos versorgt werden - ohne das Risiko einer Benachrichtigung der Polizei. Mit dieser Hilfe bewegten sich Ärzte und Krankenhausträger streng genommen am Rande der Legalität. Vor allem aus der ausländerfeindlichen Ecke kam der Vorwurf, hier würden den "eigenen" Alten und Kranken ihnen eigentlich zustehende steuerfinanzierte Ressourcen abgezwackt.
Daher ist es zumindest ein gewisser Fortschritt, dass die Parteien der Regierungskoalition mit den oppositionellen Sozialdemokraten am Dienstag im Reichstag einen Gesetzentwurf vorlegten, mit dem der jetzige tatsächliche Zustand der Gesundheitsvorsorge "Illegaler" festgeschrieben werden soll. Diese sollen in Zukunft das gesetzliche Recht auf Krankenbehandlung haben. Aber - und hier setzte gleich neue Kritik ein - nach wie vor kein Recht auf eine kostenfreie Versorgung. Man hat nämlich Angst vor einem "medizinischen Tourismus" und wittert die Gefahr, dass das Sozialsystem von Kranken belastet werden könnte, die nur nach Schweden einreisen, um sich behandeln zu lassen, oder deshalb nach der Ablehnung ihres Asylbegehrens im Lande bleiben würden.
Parlamentarische Kritiker wie Linkspartei und Grüne, aber auch die Verbände der Ärzte und des Krankenpflegepersonals werfen dem neuen Gesetz, das Menschen erneut in verschiedene Klassen einteilt, deshalb auch vor, gegen die UN-Menschenrechtserklärung und die UN-Konvention zum Schutz der Kinder zu verstoßen.
Auf diese Kritik, verschiedene Demonstrationen und Unterschriftensammlungen reagierte Schwedens Regierung schließlich mit dem Zugeständnis, nach der Verabschiedung des Gesetzes umgehend aufs Neue zu überprüfen, ob dieses Gesetz womöglich gleich wieder novelliert werden sollte. REINHARD WOLFF
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