Schwedenkrimis in der ARD: Nord und Totschlag

Sie kommen über die Welt wie einst die Wikinger: "Maria Wern, Kripo Gotland" (So., 21.45 Uhr, ARD) ist der jüngste Exportschlager und der erste nach Utøya.

Tough, aber nicht zu tough: Maria Wern (Eva Röse). Bild: ARD

Nach "Irene Huss, Kripo Göteborg" nun also "Maria Wern, Kripo Gotland" - bauen die Schweden ihre Fernsehkrimis nun etwa nach dem gleichen Franchisemuster wie die Deutschen ihre "Tatorte" und diversen "SOKOs"?

Nein. Denn die schwedischen Originaltitel verzichten auf die regionale Verortung, mit der die ARD eine Markenidentität suggerieren will. Die deutschen Titel drücken dem eingekauften Fertigprodukt das Qualitätssiegel "Schwedenkrimi" auf. Das Erste strahlt "Maria Wern" nun auf dem gleichen Sendeplatz aus wie die vor zwei Jahren eingeführte "Irene Huss" - am Sommersonntagabend nach dem "Tatort".

Auch darüber hinaus gibt es aber Parallelen zwischen Huss und Wern. Beide Polizistinnen sind ursprünglich Romanheldinnen, beide sind tough, aber nicht zu tough. Beruf und Familie schließen sich nicht aus, beide haben zwei Kinder. Mit ihrer hohen Sozialkompetenz sind sie viel näher am Schwedinnenklischee als etwa Stieg Larssons autistische Lisbeth Salander.

Alleinerziehend und verwitwet

Wern-Darstellerin Eva Röse vermag darüber hinaus mit einem beeindruckend blonden Schwedenhaarschopf aufzuwarten. Der gefällt auch ihrem Verflossenen Patrik Hedlund, der nun ihr neuer Kollege wird. Wern ist alleinerziehend, verwitwet - da ginge also was, wenn sie nur wollte und die vielen Morde auf Gotland nicht wären. "Als ich hier anfing, gab es nur Trunkenheit am Steuer und Ladendiebstahl", sagt in der ersten von vorerst drei Folgen Werns Chef. Er meint die Zeit, bevor die nordischen Krimis über die Welt kamen wie einst die Wikinger.

Bislang kam keine Analyse dieses Phänomens ohne die Verwunderung darüber aus, dass ausgerechnet dieser gemäß allen internationalen Vergleichsstudien friedlichste, intakteste Teil der Erde derzeit die blutigsten Krimis produziert. Damit ist nach dem Attentat von Utøya nun erst mal Schluss.

Schon attestiert die Süddeutsche Zeitung den weissagenden Gehalt der Skandinavien-Krimis: "Für die brutal eingelöste Prophetie […] scheint es einen Grund zu geben, eine Ideologie, die sie trägt und die sich der mutmaßliche Massenmörder praktisch zu eigen machte: Warum etwa heißen die Romane Stieg Larssons (zwar nur auf Deutsch, aber doch treffend) "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung", warum also spielen sie mit dem religiösen Modell von Sünde, Strafe und Erlösung? Und warum sind auf den deutschen Ausgaben der Wallander-Romane (scheinbar willkürlich, aber genauso angemessen) barocke Darstellungen von Fegefeuer und Höllenqualen zu sehen?"

Tatsächlich sind die mythologisch-religiösen Motive auch in den Maria-Wern-Filmen omnipräsent. In Werns erstem Fall geht es am Sonntag um die Wiederbelebung eines nordischen Opferrituals - ein umtriebiger Frauenheld wurde mit einem Speer durchbohrt und an einem Baum aufgehängt. Um ihn herum baumeln neun geschlachtete - männliche - Tiere. Zwei Wochen später dann, in Fall drei, hat ein Täter seinem Opfer ein weißes Kleid angezogen und es wie einen Engel drapiert. Die Lebensführung der 17-jährigen Pfarrerstochter war nicht sehr fromm, wie Wern bald herausfindet.

In einem etwas merkwürdigen Gegensatz zu den düsteren, abgründigen Verbrechen stehen die Kameraschwenks und gar Flüge über die malerische, mal mittsommerliche (Teil 1), mal winterliche Landschaft (Teil 3). Das muss wohl so sein, wenn der Drehort Gotland ist. Trotzdem, ganz so penetrant wie in der - deutschen - Reihe "Der Kommissar und das Meer" wird die Insel touristisch nicht inszeniert.

Fazit: Mit "Irene Huss" ist "Maria Wern" auf Augenhöhe. Eine zweite "Kommissarin Lund" ist sie aber nicht.

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