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Schweden zensiert DisneyCartoons politisch korrekt

Im Lieblingsweihnachtsprogramm der Schweden hat Disney rumgeschnippelt. Die Schwarze Puppe und der Spielzeugmann mit Kippa wurden rausgenommen.

Rausgeschnitten I: Die schwarze Puppe mit dicken Lippen. Bild: Screenshot Youtube.com

STOCKHOLM taz | Heiligabend wird nicht so sein wie immer in Schweden. Wenn sich die Nation kommenden Montag um 15 Uhr vor den Fernsehgeräten versammelt, um das traditionelle Weihnachtsprogramm zu gucken – keine Einzelsendung hat mehr ZuschauerInnen –, werden ein paar Sekunden fehlen.

„Kalle Ankas Jul“ („Donald Ducks Weihnachten“), seit 1959 die Einstimmung auf die Bescherung, ist eine Kultsendung und besteht aus einem einstündigen Zusammenschnitt verschiedener Disney-Zeichentrickfilme. Und in einem davon, der „Werkstatt des Weihnachtsmanns“, hat der Disney-Konzern in diesem Jahr zwei Szenen entfernt: eine schwarze Puppe mit dicken roten Lippen und einen Spielzeugmann mit übergroßer Nase und einer Kopfbedeckung, die wie eine Kippa aussieht.

Die Begründung: Es handle sich hierbei um nicht mehr zeitgemäße Stereotype, weshalb man den Film aus dem Jahre 1932 an ein internationales Publikum des Jahres 2012 angepasst habe. Ein „schwedischer Proteststurm“ (Svenska Dagbladet) brach daraufhin los. Arne Weise, ehemaliger Programmleiter von „Kalle Ankas Jul“, wundert sich nicht: „Für viele Schweden ist das Programm wie Religion.“

Daran irgendetwas zu ändern gelte nahezu als Sakrileg. Zusätzlich schwelt in Schweden schon seit Wochen eine Kulturdebatte zum Thema Rassismus. Ausgelöst durch die Entscheidung eines Verlags, sechs Kinderbücher zu stoppen wegen einer schwarzen Figur, die rassistische Stereotype bedienen könnte, und den Beschluss der Stockholmer Stadtbibliothek, zeitweise alle Exemplare von „Tim im Kongo“ aus den Regalen zu entfernen.

Rausgeschnitten II: Der Spielzeugmann mit übergroßer Nase und Kopfbedeckung. Bild: Screenshot Youtube.com

Man müsste dann recht viel aussortieren, auch einige Astrid-Lindgren-Bücher, wird zum einen argumentiert und vor Zensur gewarnt. Und von mehr als 40.000 Teilnehmern einer Webabstimmung der Tageszeitung Aftonbladet stimmten 96 Prozent gegen die Disney-Schnitte. Während andere Stimmen meinen, diese seien überfällig, und etwa der Verfasser Oivvo Polite fragt: „Warum sollte man 80 Jahre alten Rassismus wie guten alten Wein behandeln?“

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7 Kommentare

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  • HR
    HP Remmler

    Ist es vom Leser eines Texts bzw. vom Betrachter eines Films wirklich zu viel verlangt, Dinge in ihrem jeweiligen zeitlichen Kontext zu sehen? Falls ja, bin ich gespannt, wann eine aktualisierte Fassung von "Casablanca" in die Kinos kommt, in der alle Szenen rausgeschnitten wurden, in denen geraucht wird...

  • J
    John

    In den USA wollte man ja auch Huckleberry Finn von Mark Twain zensieren, weil dort die Begriffe "Neger" vorkamen. War recht bescheuert, weil Twain zwar die Begriffe verwendete, die schwarzen aber nie als Idioten dargestellt hat.

     

    Man muss halt immer bedenken, dass alte Literatur während eines anderen Zeitgeists entstanden ist. Ich halte es allerdings verwerflich, die Bücher zu zensieren oder ganz aus dem Verkauf herauszunehmen. Eine kommentierte Fassung wäre okay. Außerdem werden die meisten Eltern ihren Kindern wohl alte Begriffe erklären warum man sie heute nicht mehr verwendet ...

     

    Oh Mann, die Probleme von heute ...

  • F
    FotoDEmontage

    Kann jemand den Artikel mal für normalsterbliche übersetzen und mit dem Bild in Zusammenahng stellen?

     

    Die Figur auf dem Foto ist weder schwarz um einen Farbigen darzustellen, noch trägt die Puppe auf dem Foto eine Kippa.

     

    Ist Micky Maus ein Neger? (Zitat meines farbigen Nachbarn) Und was ist mit Goofy - der sieht schon son bischen Ghettomäßig aus, wa?

     

    Auch das mit dem Spielzeugmann verstehe ich nicht - das ist der in grün nehme ich an - der hat ganz klar keine Kippa auf, sondern sowas hier:

     

    http://img.zvab.com/member/40223l/34620372.jpg

     

    Das ist aber nicht unbedingt ein religiöses oder ethnisches Symbol - so sahen auch die englischen Hüte der Arbeiter bei Festen aus.

     

    Wie eine Kippa aussieht zeigt Google.

  • VV
    Verus Votum

    Unter dem Aspekt müsste man eine Menge Stereotype entfernen. Zum Beispiel auch die Tatsache, dass ein ungleichmäßiger Anteil Geschlechter in der Werkstatt arbeitet. Und überhaupt, ist Kinderarbeit nicht verboten?

    Und wieso darf der Kutscher mit einer Peitsche auf seine Pferde einhauen - sollte man Kindern nicht nahe bringen, dass man Tiere gut behandelt?!

     

    Reine Zensur, das Ministerium für Wahrheit, hat laufend alle Dokumente an die aktuelle Wahrheit angepasst. Wenn man Zeugnisse aus ater Zeit an die aktuell herrschende Moralvorstellungen und Wissensstand anpasst ist das nichts anderes.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Sehen Kinder in dieser Puppe wirklich einen Afrikaner und in dem bärtigen Mützenträger wirklich einen Juden? Zu dem schwarzen Männchen kommt mir am ehesten Nibbler aus Futurama in den Sinn und der grüngewandtete Bart- und Mützenträger sieht eher aus wie ein von einem Menschen mit Rot-Grün-Blindheit bemalten Weihnachtsmann.

     

    Aber gut, es ist sicherlich die billigste Variante von Antirassismus. Es sollte sich nur niemand einbilden, das Rausschneiden von einigen Sekunden eines Kinderfilms sei eine Heldentat im Kampf gegen Rassismus. Da bedarf es doch etwas mehr.

  • B
    ben

    in der überschrift steht "schweden zensiert disney".

    im artikel steht "disney schneidet raus".

     

    was denn nun? es ist ja wohl kaum zensur wenn eine firma einsieht, rassistisches material produziert zu haben und diesen fehler (wenn auch spät) korrigiert.

    ich finde es unerträglich, dass ständig mit der zensur-totschlag keule argumentiert wird.

    es wird nicht zensiert, es wird nur etwas an einem bestimmten sendeplatz nicht mehr gezeigt. schock, untergang des abendlandes.

     

    interessant auch, die taz die besagten figuren gleich mal zeigen muss, obwohl sogar disney sie für zu unerträglich und diskriminierend hält, um sie weiter in ihren filmen zu lassen.

     

    in einem stimme ich dem artikel zu: da müsste noch viel mehr gemacht werden.

     

    ben

  • D
    D.J.

    Früher hielt ich einmal Schweden für ein äußerst liberales Land. Welch Irrtum. Ein Land voller Repression und Verbote, die sich bis weit in den privaten Bereich erstrecken (Sexualität, Alkohol, Genderinquisition). Abschreckend. Ursachen? Möglicherweise Spätfolgen eines repressiven Protestantismus, freilich im säkularen, postreligösen Gewand. Die Inhalte haben sich (teilweise) geändert, die Lust am Verbot, der Schnüffelei und der Zurechtweisung ist geblieben. Ist das unsere eigene Zukunft? Möglicherweise - hat doch Alice Schwarzer gestern Schweden sehr gelobt (es ging hier um Prostitutionsverbot). Falls ja, bin ich froh, schon über 40 zu sein und nach Ende der DDR ein paar einigermaßen freie Jahre erlebt zu haben. Aber so lange ich kann, werde ich gegen die übergriffigen Nannies, die mehr und mehr unser Leben vergiften, ankämpfen.