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Schwarze Brillen und blaue Flecken

Goalball, das athletischste und gleichzeitig leiseste Mannschaftsspiel im Behindertensport  ■  Aus Marburg Torsten Haselbauer

Während sich die erfolgreichen Athleten der Olympiade in Seoul längst in Ruhm und Werbeverträgen sonnen, ist bei den Teilnehmern der Paralympics wieder der graue Sportalltag eingekehrt. So verloren sich dann auch nur etwa zwanzig Zuschauer in der Sporthalle der SSG (Sehgeschädigten Sportgemeinschaft) Marburg, als diese ein Goalball-Turnier ausrichtete.

Immerhin, Frauen wie Männer hatten in dieser Sportart in Seoul den fünften Platz erreicht. Unter den Augen von über 800 Menschen hatten die blinden Akteure dort das wohl leiseste Mannschaftsspiel der Welt demonstriert: Goalball.

Wirft der Beobachter seinen Blick von der Tribüne auf das Spielfeld, bekommt er Unglaubliches zu sehen. Auf einem Areal von der Größe eines Volleyballfeldes kauern vor zwei neun Meter breiten und 50 Zentimeter hohen Toren jeweils drei Spieler. Mit Brust-, Hoden-, Knie- und Ellenbogenschützern gepanzert, scheinen sie eher einem American-Football-Team entnommen. Zusätzlich tragen die Akteure schwarze Brillen, die die unterschiedlichen Sehleistungen kompensieren sollen.

Dann ertönt der schrille Pfiff des Referees, gleichzeitig kehrt in den Zuschauerreihen absolute Ruhe ein. Ein Spieler nimmt den zwei Kilo schweren Ball von 30 Zentimeter Durchmesser in die Hand und schleudert ihn, einem Kegelwurf nicht unähnlich, gen gegnerisches Gehäuse. Der Ball tropft etwa dreimal auf, bis er sein Ziel erreicht. Mit jeder Bodenberührung ist ein Geräusch verbunden, das die in dem Ball befindlichen Klingeln verursachen. Nur über diesen akustischen Reiz orten die Gegner die Richtung des Torwurfes und hechten im Stile eines Fußballtorwarts ins bedrohte Eck. Abgefangen - Applaus - Ruhe, nun versucht die andere Truppe ihr Glück.

In einem Goalballspiel von 15 Minuten treffen die Spieler im Schnitt fünfmal ins Schwarze, doch es gibt Ausnahmeathleten. Die Jugoslawen zum Beispiel mußten im gesamten paralympischen Turnier nur dreimal hinter sich greifen und errangen souverän die Goldmedaille.

Doch geht da alles mit rechten Dingen zu? Offensichtlich nicht! Die Ägypter, Gewinner der Bronzemedaille, sollen beim Turnier in Seoul falsche, sprich sehtaugliche, Brillen getragen haben, „und das ist keiner Satirezeitung entnommen“, gibt Andreas Bethke, Nationalspieler aus Marburg, preis. Ähnliches munkelt man von einer Spielerin der USA.

Überhaupt, das vielleicht athletischste Spiel der Behindertenolympiade hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Ständiges Krafttraining befähigt manche Spieler zu einem solch wuchtigen Angriffsball, daß die verteidigende Mannschaft nach erfolgreicher Abwehr erstmal den Arzt konsultieren muß, bevor sie es dem Gegner mit gleicher Münze heimzahlt.

Kein Wunder also, daß nur etwa dreihundert Blinde in der Bundesrepublik den Sport Goalball betreiben. Es fehlt an Nachwuchs, blinde Kinder werden in aller Regel von ihren Eltern „in Watte gepackt, sie könnten sich ja wehtun“, so der Kommentar eines Zuschauers. Schaut der aufmerksame Beobachter dem Treiben der Goalballer zu, kann er diesem nur zustimmen.

Aufgrund der hohen Verletzungsgefahr wird deshalb an den Blindenschulen eher Torball gespielt, die mildere Variante. Der Ball wiegt nur 500 Gramm, ist so leichter zu fangen und macht das umfangreiche Schutzarsenal der Goalballer überflüssig. International gibt der Behindertenweltverband allerdings dem Goalball noch den Vorzug, obwohl sich kritische Stimmen häufen.

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