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Schwarzarbeit... Mord in Bremerhaven

■ ...auf Staatskosten – Forts. von Seite 17 45jähriger Mann von Kumpel erdrosselt

sechs Meter tief stürzte. Ludewig kam ins Krankenhaus, Jakubowski in Schwierigkeiten. „Der hat mich dreimal besucht. Und immer wollte er, daß ich den Urlaubsschein abzeichne“, erinnert sich Ludewig. Kein Wunder: Schließlich hatte Jakubowski bei seiner Versicherung angegeben, Ludewig habe am Tag des Unfalls Urlaub gehabt. Die Bauhilfe – ein Freundschaftsdienst. Doch Ludewig tat Jakubowski den Gefallen nicht. Der Grund. Ludewig besteht darauf, daß die Verwaltungsberufsgenossenschaft für seinen Fall zuständig ist. Die greift aber nur, wenn der Unfall während der Arbeitszeit passiert ist.

„Das ist in meiner normalen Arbeitszeit passiert. Es war alles, wie immer. Ich bin morgens in die Tischlerei gefahren. Meine Kollegen und ich, wir haben unser Werkzeug zusammengepackt, und dann sind wir nach Sottrum gefahren.“ Bis heute weiß Ludewig nicht, wie die Versicherungsfrage letztendlich entschieden wird.

Bis Weihnachten lag Ludewig im Krankenhaus, bis Anfang Februar war er in der Reha-Klinik. Als er nach Wochen immer noch nichts von seinem Arbeitgeber, dem Landessportbund, gehört hatte, startete er seine erste Anfrage: Was denn nun los sei, wollte er wissen, schon wegen der Versicherung. Und er erzählte von den Mauschelarbeiten und daß er in seiner ganz normalen Arbeitszeit auf der Privatbaustelle gearbeitet habe. Die Reaktion des LSB: Ludewig bekam Post. Die Unfallmeldung Jakubowskis und eine Arbeitszeitkarte. Da konnte Ludewig mit Erstaunen feststellen, daß er am 21. und 22. November 94 mit Urlaub eingetragen war. Für ihn ein durchsichtiges Manöver: „Es gibt keinen unterschriebenen Urlaubsantrag“, sagt er. Für ihn war das ein ganz normaler Arbeitstag.

Nächster Anlauf: Ludewig meldete den Fall beim Senator für Arbeit. Mehrfach hat er dort mit dem zuständigen Sachbearbeiter gesprochen, einmal hat er seine Geschichte sogar einer großen Runde erzählt. Eine Sitzung mit Folgen: In den Akten des Arbeitssenators findet sich ein Vermerk des zuständigen Abteilungsleiters, der bei der Sitzung mit Ludewig dabeigewesen war. „Ein Fall für den Staatsanwalt“, schrieb der Abteilungsleiter. Die Sache sei dringend. Der Fall war Thema einer Referentenrunde beim Arbeitssenator. Reaktion der Behördenspitze: Staatsrat Arnold Knigge erklärte die Angelegenheit zur Chefsache. Ab sofort solle alles über seinen Schreibtisch laufen. Reaktionen: Der Landessportbund und Jakubowski wurden um Stellungnahmen gebeten, Mitarbeiter befragt. Gefunden haben die Kontrolleure nichts, sagt heute Staatsrat Knigge.

Ludewig selbst weiß bis heute nichts von irgendwelchen Ermittlungen: „Mit mir hat sich seitdem niemand in Verbindung gesetzt. Jakubowski muß starke Freunde haben.“ So wunderte sich Ludewig auch nicht über die Aussagen von ehemaligen Kollegen, auch nach seinem Unfall seien die Arbeiten am Privatbau Jakubowskis weitergegangen. Ludewig: „Tischler, Klempner, Maurer, alle waren da. Schließlich wollte Jakubowski unbedingt zum 1. Januar dort einziehen. Wegen irgendwelcher Abschreibungsvorteile.“ Als die Kollegen nach Ludewig gefragt hätten, da habe Jakubowski nur lapidar erklärt: „Der kommt nicht wieder.“

Ludewig fühlt sich umzingelt. Er hat geredet, doch von Reaktionen weiß er nichts. Und als er dann noch hört, daß das Arbeitsamt das Projekt geprüft und nichts gefunden habe, da versteht er die Welt nicht mehr. Und die Bremer Staatsanwaltschaft weiß bis heute nichts von dem Fall.

Sottrum bei Stuckenborstel. Siegfried Jakubowski wohnt unbehelligt in seinem schmucken Haus. Der Fall Ludewig scheint verläppert, sein Arbeitsplatz als Projektleiter gesichert.

Gottfried Ludewig geht immer noch jeden Vormittag zur Therapie. Massage, Bestrahlungen, Schwimmen, Gymnastik. Ganz werden die Schwindelanfäle und die Kopfschmerzen nie verschwinden, hat ihm sein Arzt gesagt. Und seinen Beruf könne er wahrscheinlich auch vergessen. Gottfried Ludewig fühlt sich wie ein Körnchen Sand in einem ansonsten prima geschmierten Getriebe. Ein Körnchen, das lanmgsam kleiner und kleiner gemahlen wird: „Ich war leider nicht tot, sonst wäre alles viel einfacher gegangen.“ Jochen Grabler

Ein 35 Jahre alter Mann hat in Bremerhaven seinen 45 Jahre alten Bekannten erdrosselt. Wie die Polizei gestern mitteilte, wurde der am Dienstag abend festgenommene Täter am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt. Dieser erließ Haftbefehl, nachdem der 35jährige die Tat zugegeben hatte.

Zu der Tat war es nach Angaben der Polizei bereits am Pfingstmontag nach „reichlichem Alkoholgenuß“ im Zuge eines Streits gekommen. Der 35jährige, der nach Abbruch einer Alkoholentzugstherapie in die Wohnung seines späteren Opfers gezogen war, verlangte einen Schlüssel zu der Wohnung in der Lessingstraße. Als der 45jährige dies ablehnte, erdrosselte er nach eigenen Angaben seinen Bekannten mit einer Kordel.

Am darauffolgenden Tag soll er der Polizei zunächst anonym Hinweise auf den Toten und den Tatort gegeben haben. Auf der Fahrt zum angegebenen Tatort entdeckten die Beamten einen Mann mit Lederschlapphut, der dann als Täter identifiziert wurde. dpa

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