Schwarz-Gelb und die Sicherheit: Löschen statt Sperren
Keine Internetsperren in Deutschland. Die Nutzung der Vorratsdaten wird eingeschränkt. Für Jugendliche gibt es einen "Warnschussarrest". So die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen.
Im Bereich Innere Sicherheit ist Union und FDP bei den Koalitionsverhandlungen ein Durchbruch gelungen. Nach einer zehnstündigen Sitzung hat die Arbeitsgruppe "Inneres und Justiz" am Donnerstagabend unter Leitung von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) alle Streitfragen in ihrem Feld geklärt.
Vorerst wird es keine Internetsperren in Deutschland geben. Das im Juni vom Bundestag beschlossene Gesetz soll nach der Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler zwar in Kraft treten, aber ein Jahr lang nicht angewandt werden. Die Bundesregierung soll das Bundeskriminalamt (BKA) per Erlass anweisen, keine Listen von kinderpornografischen Webseiten zu erstellen und an die Internet-Firmen weiterzugeben.
Stattdessen soll das BKA versuchen, eine Löschung der Seiten durch den jeweiligen Host-Provider zu erreichen. Zumindest für ein Jahr gilt nun also offiziell das Prinzip "Löschen statt Sperren", das auch die im AK Zensur organisierten Gegner der Internetsperren als Losung ausgegeben hatten. Nach einem Jahr wollen CDU/CSU und FDP die Erfahrungen auswerten und das weitere Vorgehen beschließen.
Die Vorratsdatenspeicherung bleibt zwar bestehen, die Nutzung der Daten wird zunächst aber stark eingeschränkt. Weiterhin müssen also Telefonfirmen ein halbes Jahr lang speichern, wer wann mit wem telefonierte. Internetfirmen müssen festhalten, wer wem mailte und wann wie lange im Netz surfte. Diese Daten dürfen in den nächsten Monaten von der Polizei aber nur angefordert werden, wenn eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht.
"Eine Nutzung der Daten für Strafverfolgung jeder Art ist damit bis auf Weiteres ausgesetzt", erklärte FDP-Innenexperte Max Stadler der taz. Das geht weit über die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2008 hinaus. Karlsruhe hatte die Nutzung der Daten nur bei Bagatelldelikten wie illegalen Musik-Downloads ausgeschlossen, aber zur Aufklärung schwerer Straftaten zugelassen. Diese jetzt vereinbarte Einschränkung soll nur bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorratsdatenspeicherung gelten. Dort sind die Klagen von rund 34.000 BürgerInnen und einigen FDP-Politikern anhängig.
Nach taz-Informationen wird es in Karlsruhe voraussichtlich im Dezember eine mündliche Verhandlung geben. Das Urteil fällt dann meist einige Monate später - es sei denn Karlsruhe legt den Fall dem eigentlich zuständigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Wie es nach der Karlsruher Entscheidung weitergeht, soll dann in der Koalition ganz neu besprochen werden. Da die Vorratsdatenspeicherung auf eine EU-Richtlinie zurückgeht, kann sie nur vom EU-Ministerrat oder vom EuGH abgeschafft werden.
Online-Durchsuchungen bleiben weiter möglich. Künftig wird aber nicht mehr das Amtsgericht Wiesbaden solche Maßnahmen genehmigen, sondern der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof. Den Antrag soll nicht mehr der BKA-Präsident stellen, sondern die Generalbundesanwältin. Zudem wird die heimliche Ausspähung von Computerfestplatten in mehr Fällen zum Schutz der Privatsphäre unzulässig sein. Details werden erst bei der Gesetzgebung festgelegt.
Bei den Zeugnisverweigerungsrechten sollen künftig alle Anwälte gleich behandelt werden. Anwaltsverbände hatten protestiert, dass der Abhörschutz von Strafverteidigern durch die große Koalition mehr gestärkt wurde als der von zum Beispiel Steuer- oder Scheidungsanwälten. Ob auch Ärzte und Journalisten die höchste Schutzstufe erhalten, soll geprüft werden.
Eingeführt werden soll ein Warnschussarrest für jugendliche Straftäter. Er kann künftig neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verhängt werden. Dies hatten sowohl CDU/CSU als auch FDP in ihren Wahlprogrammen gefordert. Auf Wunsch der CSU soll die Höchststrafe für Heranwachsende (18- bis 21-Jährige) von 10 auf 15 Jahre erhöht werden, falls noch Jugendrecht für sie gilt.
Auf Wunsch der CDU/CSU soll eine Visa-Warndatei eingerichtet werden. Dort sollen aber nur Personen erfasst werden, bei denen es schon ausländerrechtliche Probleme gab. Sie müssen bei ihrem nächsten Visumsantrag mit besonders strenger Prüfung rechnen. Dagegen sollen Privatpersonen, Vereine und Unternehmen, die regelmäßig visumspflichtige Ausländer einladen, nicht in einer zentralen Datei registriert werden. Die von der Union gewünschte Viel-Einlader-Datei lehnte die FDP ab.
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