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Schwarz-Gelb und SPD einigJobcenterreform rückt näher

Grundgesetzänderung in Sicht: Mehr Kommunen sollen Arbeitslose allein betreuen können.

In den Jobcentern arbeiten die Bundesagentur für Arbeit und die Kommune zusammen. Bild: dpa

BERLIN taz/rtr Eine neue Grundlage für die Arbeit der Jobcenter wird erkennbar. Am Wochenende einigte sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus CDU, FDP und SPD auf einen Kompromiss, der eine Grundgesetzänderung vorsieht. Damit soll Betreuung von Arbeitslosen "aus einer Hand" möglich bleiben. Details nannte das Arbeitsministerium noch nicht, denn am Mittwoch werden die Ergebnisse noch auf Fraktions- und Ministerebene besprochen. Bis dahin soll Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen Gesetzesentwurf vorlegen. Den muss, wegen der gebotenen Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung, auch die SPD mittragen.

Deren Fraktionsvize Hubertus Heil, an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe beteiligt, zeigte sich nach der nächtlichen Marathonsitzung zufrieden: "Eine Einigung ist möglich, weil die Betreuung der Arbeitslosen aus einer Hand gewährleistet ist, da die Zerschlagung der Jobcenter abgewendet werden konnte."

Eine Neuorganisation der Grundsicherung (Hartz IV) für Arbeitssuchende war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die undeutliche Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Kommune und Bund für verfassungswidrig erklärt hatte. Derzeit werden Hartz-IV-Bezieher in 352 Jobcentern oder 69 Optionskommunen betreut. In den Jobcentern oder auch Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) arbeiten die Bundesagentur für Arbeit und die Kommune zusammen. Erstere ist für die Arbeitsvermittlung und Regelleistung zuständig, die Kommune trägt die Kosten für Unterkunft und Heizung und stellt Möglichkeiten zur Sucht- und Schuldnerberatung oder Kinderbetreuung. In den 69 Optionsmodellen sind die Kommunen für alles zuständig.

Der Deutsche Landkreistag und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) freuten sich über die nun vorgesehene Anzahl der Optionskommunen von maximal 110. Dadurch werde die kommunale Selbstverwaltung gestärkt, sagte Koch. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte die Ausweitung des Optionsmodells: "Für jeden Menschen muss im Fall von Arbeitslosigkeit gleicher Zugang zu Unterstützung und Förderung sichergestellt sein."

Ob tatsächlich 110 Optionskommunen entstehen, bleibt abzuwarten. So verwarf die Arbeitsgruppe zwar die Idee, die Optionskommunen unter Fachaufsicht des Bundes zu stellen. Doch um ihre Bildung zu erschweren, sollen Kommunen die Entscheidung für das Optionsmodell nur mit Zweidrittelmehrheit fällen können. EVA VÖLPEL

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5 Kommentare

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  • C
    claudia

    @ Kara Durchblick:

     

    Das ist ja ein Lichtblick, daß wenigstens Sie andere Erfahrungen haben. Erzählen Sie doch mal: Wie lief es denn bei Ihnen?

  • O
    Oli

    Liebe taz,

    ein Mal löschen bitte: Klara Durchblick

    Sagt nichts zur Sache, unterstellt anderen dabei Dummheit.

  • KD
    Klara Durchblick

    @Hannes: So viel Schmarren, Ahnung hamse keene!

    @Claudia: Da habe ich schon andere kennen gelernt, die hatten etwas auf dem Kasten. Immer nur pauschalisieren bringt nix - oder sind alle Hartzer arbeitsscheu?!?

  • H
    Hannes

    Ich denke, dass sich genau die gleiche Mehrheit für eine Re-Legalisierung ihres Hauptausführorgans für Hartz finden wird, weil genau diese Mehrheit denkt, sie käme um das Thema strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit umhin. Das ist nämlich der innige Wunsch von CDU/CSU, FDP, SPD und sogar der Grünen, einfach zu sagen: ein paar sind halt ohne Stelle, aber die sind ja selbst schuld, denn machen wir ordentlich Druck.

    Die Wahrheit sieht doch so aus, dass es für die Arbeitslosen weder besonders vorteilig, noch besonders nachteilig ist, wenn er mit zwei Behörden zu tun hat. In der ARGE sind beide Bereiche auch strikt getrennt und nur durch die Sanktionsmöglichkeiten der Vermittler verbunden.

    Diese Argumentation ist in diesem Sinne hinfällig. Es geht den Parteien darum, zu vermeiden, dass die gesamte Republik mitbekommt, dass Hartz-IV ein schlampig erarbeitetes und nicht durchdachtes Gesetz ist. Da rettet man das lieber.

    Auch wenn das nichts in der Sache bringt. Und das sieht doch so aus: Vermittlung findet nicht statt, Qualifizierung läuft auf wirkungslosem Billigniveau ab, Bescheide sind in 60 Prozent aller Fälle falsch und müssen beanstandet werden, zu einem guten Teil landen sie bei den Sozialgerichte, zu einem anderen Teil geben die Arbeitslosen entnervt auf, Öffnungszeiten sind auf ein Minimum zusammen geschrumpft, in vielen Jobcentern ist Mittwoch und Freitag kein Publikumsverkehr. Und was machen die Vermittler?

    Sie bearbeiten Akten, als ob sie im Einwohnerzentralamt arbeiten. Tun sie aber nicht, sie sollen in Arbeit vermitteln, stattdessen schaffen sie sich stressfreie Arbeit mit den Instrumenten der ausufernden Staatsbürokratie.

    Ich denke, dass Gesetzesänderungen doch die Chancen bieten, Änderungen vorzunehmen. Aber bei diesem Gesetz geht es vor allem darum, die prekäre Mehrheit zu sichern, damit es in Deutschland keine Diskussionen um Arbeitslosigkeit, Armut und Gerechtigkeit geben kann.

    Das war ja auch der Wunsch der SPD: Nach der Wahl wollte und konnte Schröder eben nichts erfüllen, da musste dann ein neues Konzept her, nämlich die Schuldigen sind die Arbeitslosen. Seit dieser Zeit wird mit allen Mitteln gegen Arbeitslose gestänkert und PR-Agenturen verdienen Millionen mit allen Formen der Aufwiegelung und Aufstachelung. Hier der fleißige Unternehmer, dort der leistungsschwache, übergewichtige Arbeitslose. Es gab schon Tips (Ernäherung, Kalt Duschen) von Politikern bis hin zur CDU-Forderung den Arbeitslosen das Wahlrecht zu entziehen, weil die ja alle an den Urnen mit der Linken stänkern würden.

    Für mich ist das nur noch zynisch und es wird sich irgendwann bitter rächen. Ein vergigtetes gesellschaftliches Klima hilft doch niemanden, zumal die Pensionierungen sogar in Kürze einen ganz anderen Arbeitsmarkt kreieren könnten.

  • C
    claudia

    Eine Reform, die diese Bezeichung verdient, würde mal die "Vermittler" für die Vermittlung der unterschiedlichen beruflichen Qualikationen und Fähigkeiten ausbilden.

    Da sind die Verwalter der Arbeitslosigkeit bis auf den heutigen Tag heillos überfordert. Das sage ich aus eigener, bitterer Erfahrung.

    Sie können offenbar nichts Anderes, als Personalanfordungen von Zeitarbeutsfirmen ausdrucken und weiter reichen.