Schwankhallen-Premiere: Freier Blick aufs kahle Rund

Mit einer ansehnlichen "Liliom"-Inszenierung als letzter Eigenproduktion spielt sich die Schwankhalle dem Leitungswechsel entgegen.

Lina Hoppe trauert als Julie um den toten Proll Liliom, den Denis Fischer verkörpert. Bild: Claudia Hoppens

BREMEN taz | War das ein gutes Ende? War es überhaupt eines? Immerhin, die von Anna Bartholdy und Peer Gahmert besorgte Inszenierung von Ferenc Molnárs „Liliom“, die Freitag Premiere feierte, war die letzte theatrale Eigenproduktion der Schwankhalle in der letzten von Susanne von Essen und Denis Fischer künstlerisch verantworteten Saison. So viel Endgültigkeit ist möglich.

Allerdings, das kann man schön finden oder symptomatisch, es ist noch nicht ganz das Ende. Die Schwankhallen-Leitung hat ihren Abgang nicht als harten Cut, sondern eher als eine Art Auströpfeln programmiert: Neulich gab’s schon die letzte Inszenierung von Anja Wedig.

Wedig war vom Bezug der Spielstätte vor zehn Jahren an immer irgendwie Teil des Staffs, und als sie dann vor zwei Jahren aus der Leitung ausschied, ist sie doch dem Hause verbunden geblieben. Im Februar hatte die Regisseurin dort die nicht nur von der taz sträflich ignorierte Uraufführung des Kinderstücks „Drei Freunde und Du!“ besorgt (das noch zweimal am kommenden Wochenende gespielt wird). Außerdem stemmt das Team, turnusgemäß, noch ein letztes Mal ein „Out Now!“-Festival im Mai. Und im Sommer wird man noch durch ein zehntägiges Jules Verne-Laboratorium am Werdersee zum Abschied die Welt retten.

Das entlastet die „Liliom“-Inszenierung von der Bürde, den großen Schlussakkord zu liefern: Die 1909 uraufgeführte Vorstadtlegende über Leben, Sterben und Nachleben des Jahrmarktsausrufers, Vaters und verhinderten Raubmörders Andreas Zavoczki, genannt Liliom, wäre dafür auch ungeeignet: In jenen Mann, gefühls- eher noch als begriffstutzig, verliebt sich Julie und lässt sich von ihm schwängern. Liliom will durch einen Überfall auf einen Geldboten der kleinen Familie eine Zukunft in Amerika ermöglichen, scheitert aber, bringt sich um und soll, das entscheidet das himmlische Kommissariat, in dem er nach dem Tode begutachtet wird, 16 Jahre später noch einmal auf die Erde hinab, um seiner Tochter was Gutes zu tun. Was ihm nicht glückt.

Wer an diesen naiv-volkststückhaften Bilderbogen mit Pathos herangeht, landet im Kitsch. Es geht um Atmosphäre, um die traurige Komik dieses Antihelden. Liliom lebt von einem starken Hauptdarsteller – und davon, dass die übrigen neben ihm nicht abschmieren.

Halb so wild also, dass Bartholdy und Gahmert im Grunde keine Idee haben, wohin mit diesem Stück: Es offenbare die Frage, „woher unser Bedürfnis danach“ komme, „dass es am Ende gut ausgeht“, lassen sie wissen – wenn das schon ein Gedanke heißen soll, bleibt er doch extrem dürftig. Wenigstens versperrt kein ambitioniertes Konzept den Blick auf die Bühne, die ein kahler schwarzer Bretterkreis ist, selbst Lukas Zerbsts feine Videoprojektionen halten sich trotz plastischer Qualitäten – eine krasse Achterbahn! – allzu dezent im Hintergrund. Und vorne darf Denis Fischer sich ausprollen: Und tut das auch.

Es macht Riesenspaß ihm dabei zuzuschauen, seiner Hilflosigkeit vor den dies- und jenseitigen Autoritäten, die Martin Leßmann mit sadistischer Freude an der Macht ausstattet, und noch mehr seiner Ratlosigkeit vor der unwahrscheinlichen Liebe Julies.

Die Zumutung, diese glaubwürdig zu machen, gelingt Lina Hoppe auf bezaubernde Weise, sodass sich ein Schauspielabend ergibt, über den sich viele Stadttheater freuen könnten. Der aber nicht annähernd das Versprechen auf Wagnis, Experiment und neues Denken versucht einzulösen, für das eine Spielstätte der freien Szene gebraucht wird. Ganz ohne Groll und bestens unterhalten lässt dieser Abend also auf die Zäsur hoffen und auf den Neubeginn durch die neue künstlerische Leitung der Schwankhalle. Wenn das mal kein gutes Ende ist.

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