Schwangerschaftskonfliktberatung: Kein Ende der Beratungspflicht
Während der Coronakrise sollen ungewollt Schwangere in mehreren Bundesländern auf Beratungen per Telefon oder Video zurückgreifen können.
![eine Frau hält einen schwangerschaftstest in der hand eine Frau hält einen schwangerschaftstest in der hand](https://taz.de/picture/4044339/14/25009871-1.jpeg)
Von der Deutschen Gesellschaft für Familienplanung und Sexualberatung Pro Familia hieß es, Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg und Thüringen hätten dies ebenfalls zugesagt, in Bremen werde es derzeit geprüft. Bayern verhängte am Freitag vorerst zweiwöchige Ausgangsbeschränkungen.
Viele Beratungsstellen rechnen damit, dass während der Coronakrise sowohl häusliche und sexualisierte Gewalt als auch ungewollte Schwangerschaften zunehmen. Jährlich werden in Deutschland rund 100.000 Schwangerschaften abgebrochen, in drei Monaten also normalerweise rund 25.000. Alle Frauen müssen sich vor einem Abbruch verpflichtend beraten lassen.
Nun würden ungewollt Schwangere mit größeren Probleme als ohnehin schon konfrontiert, sagte Kersten Artus, Vorsitzende der Pro Familia Hamburg: Durch personelle Engpässe in den Beratungsstellen, die wegen Krankheit der Mitarbeitenden nur eingeschränkt arbeiten oder gar keine Angebote mehr bereit stellen können; durch eigene Quarantäne, weil sie möglicherweise selbst mit dem Virus infiziert sind; oder durch eine Ausgangssperre.
Infrastruktur ausreichend?
Unter anderem Pro Familia und die katholische Laienorganisation für Schwangerenberatung Donum Vitae richten deshalb derzeit eine Infrastruktur ein, damit ungewollt Schwangere telefonisch oder per Video beraten werden können. „Noch können wir ausreichend Präsenzberatungen leisten“, sagte die Geschäftsführerin von Donum Vitae, Andrea Redding. „Aber wir wissen nicht, wie stark die Einschränkungen werden.“ Deshalb würden derzeit Pläne entwickelt, um die Beratungen auch unter widrigen Bedingungen zu gewährleisten.
Rechtlich ist die telefonische Beratung offenbar unproblematisch möglich. Der Strafrechtler Michael Kubiciel von der Universität Augsburg schrieb auf Twitter, ihn habe die Anfrage erreicht, ob eine Schwangerschaftskonfliktberatung notfalls auch per Videotelefonie durchgeführt werden könne, wenn eine gleichzeitige physische Anwesenheit von Beratenden und Schwangerer nicht möglich sei. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz setze das nicht explizit voraus. Die typischerweise sehr eilige Beratung könne also auch auf andere Art und Weise gewährleistet werden.
Cornelia Möhring, die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, fordert, die Beratungspflicht für ungewollt Schwangere während der Corona-Krise bundesweit ganz auszusetzen. Die Infrastruktur, die die Versorgung bei ungewollten Schwangerschaften sicherstellen soll, sei seit Jahren unzureichend. Beratungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, seien schon unter normalen Umständen schwer zu erreichen. „Unter den Bedingungen von Corona sind nun unbürokratische und pragmatische Lösungen notwendig, um die medizinische Infrastruktur zu entlasten“, sagte Möhring.
Die zuständigen Behörden in Niedersachsen und Hamburg haben der taz am Montag bestätigt, dass eine Beratung nicht mehr face-to-face in der Beratungsstelle stattfinden muss. In Niedersachsen muss eine Frau sich aber über ein Videotelefonat ausweisen. In Hamburg ist dies nicht notwendig, die Beratung kann telefonisch oder per Mail erfolgen.
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