Schutz vor Wuchermieten in Berlin: Hamwa nicht, könnwa nicht
Die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mauert beim Schutz vor überhöhten Mieten – allen Ankündigungen des Regierenden zum Trotz.
Mit Blick auf den „Wucherparagrafen“ könne das Land Berlin grundsätzlich überhaupt nichts machen, teilt Mieterschutzstaatssekretär Stephan Machulik in einer noch unveröffentlichten Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger mit. Das sei Sache der Bezirke, nicht des Senats.
Doch auch den Bezirken seien die Hände gebunden, da Berlin „derzeit über keinen qualifizierten Mietspiegel“ verfüge, „welcher eine wichtige Grundlage für die Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen nach Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz ist“, so SPD-Politiker Machulik in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Zuerst hatte die Berliner Morgenpost berichtet.
Ein neuer qualifizierter Mietspiegel soll erst im Mai 2024 wieder veröffentlicht werden. Ab diesem Zeitpunkt könnten Machulik zufolge „bei mitwirkungsbereiten Mieterinnen und Mietern erfolgsversprechende Fälle mit dem Anfangsverdacht auf eine Mietpreisüberhöhung von den zuständigen Bezirksämtern“ dann auch wieder „geprüft und verfolgt“ werden. So lange sei man machtlos, Mieter:innen müssten sich um ihre Rechte eben selbst kümmern.
Grüne kritisieren politisch gewollte Untätigkeit
Katrin Schmidberger hält die Aussage Machuliks, Mietwucher könne zurzeit amtlicherseits nicht verfolgt werden, für nachgerade absurd. „Anders als behauptet, kann Mietwucher auch ohne einen qualifizierten Mietspiegel verfolgt werden“, sagt die Grünen-Sprecherin für Mieten und Wohnen zur taz. Jurist:innen und Mietervereine würden das bestätigen. „Durch diese Antwort demonstriert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen aka SPD mal wieder ihre politisch gewollte Untätigkeit beim Mieter:innenschutz“, so Schmidberger.
Folgt man dem Haus von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), dann wäre tatsächlich auch Wegners Ansage, sich künftig für die Einhaltung der Mietpreisbremse in die Bresche werfen zu wollen, kaum mehr als eine leere Worthülse. So schreibt Gaeblers Staatssekretär Machulik: „Die Beachtung und Prüfung der Einhaltung der zivilrechtlichen Regelungen zur Mietpreisbremse obliegt den Mietvertragsparteien.“ Auch hier gelte also: Der Senat habe leider gar nichts zu melden.
Gleich mit abgeräumt wird von der Senatsverwaltung auch die im schwarz-roten Koalitionsvertrag angekündigte „Einrichtung einer Prüfstelle zur Einhaltung der Mietpreisbremse“. Denn dafür, so Machulik weiter, fehlten die bundesrechtlichen Grundlagen. Und ohne den Bund auch keine Prüfstelle.
Geld und Personal für das neue Amt habe man daher gar nicht erst vorgesehen: „Weil mangels Rechtsgrundlage keine Prüfstelle für zivilrechtliche Mietrechtssachverhalte geschaffen werden kann, wurden im Entwurf des Doppelhaushalts 2024/2025 keine Mittel dafür eingeplant.“
Mietenexpertin Katrin Schmidberger ist sauer. „Dank der SPD bleibt die Ahndung wohl weiterhin ein vollmundiges Versprechen im Koalitionsvertrag, welch Hohn für alle Mieter:innen, die gerade um ihr Zuhause kämpfen und bangen“, sagt die Grünen-Politikerin. Auch wenn Gaebler und seine Verwaltung sich stur stellten: Es brauche endlich „eine willige, schlagkräftige Behörde, um Mietwucher und andere Missstände zu ahnden“, die den Schutz von Mieter:innen ernst nehme und als öffentlichen Auftrag verstehe. „Wohnen ist öffentliche Daseinsvorsorge und überhöhte Mieten nicht nur ein privates Problem“, sagt Schmidberger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe