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SexarbeitProstituierte geschützt, aber noch nicht genug

Seit 2017 gilt das Prostituiertenschutzgesetz. Es zeigt Wirkung, lautet das zentrale Ergebnis einer Evaluation. Trotzdem müsse es verbessert werden.

Von selbstbestimmter Sexarbeit, entkriminalisiert und entstigmatisiert, sind wir noch weit entfernt Foto: Jochen Eckel/imago

Berlin taz | Das Prostituiertenschutzgesetz zeigt Wirkung. Es sei ein Gesetz, das „beachtliche Erfolge vorweisen kann“, schreibt das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in einer am Dienstag vom Bundesministerium für Bildung, Senioren, Familie, Frauen und Jugend vorgelegten Evaluation. So spreche viel dafür, dass es gelingt, Prostituierte „über ihre Rechte zu informieren, sie über gesundheitliche Risiken aufzuklären und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, in schwierigen Lebenslagen Unterstützung zu erhalten“.

Zudem sei anzunehmen, dass sich die Arbeitsbedingungen für Prostituierte in erlaubten Gewerben „ebenso verbessert haben wie die Möglichkeiten zur staatlichen Überwachung solcher Gewerbe“. Auch die Kondompflicht wird positiv bewertet.

Das Prostituiertenschutzgesetz trat 2017 in Kraft. Seitdem müssen Prostituierte ihre Tätigkeit bei der zuständigen Behörde vor Ort anmelden. Auch, wer gewerbsmäßig Räumlichkeiten oder Leistungen im Zusammenhang mit sexuellen Dienstleistungen anbietet, braucht eine Erlaubnis der Behörde. Personen, die in der Prostitution tätig sind, müssen sich zudem regelmäßig gesundheitlich beraten lassen.

Lange hatten Union und SPD in der damaligen Großen Koalition um jedes Wort gerungen. Das erklärte Ziel war, Frauen und wenige Männer vor Zwangsprostitution zu schützen und Kriminalität vorzubeugen. Heraus kam ein Kompromiss, der aber auf viel Kritik stieß.

Sexarbeit „grundrechtlich geschützt“

Die kam sowohl von Berufsverbänden und Beratungsstellen wie auch von Seiten der Politik selbst. Im November 2023 wandte sich etwa die Unionsfraktion gegen Prostitution als solche und beschloss ein Papier namens „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“. Die Union hatte ein Sexkaufverbot auch in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln wollen, war damit aber gescheitert.

Nun räumt die Evaluation mit einigen Vorurteilen auf: So sei Prostitution eine „grundrechtlich geschützte Tätigkeit“, betonen die Forschenden. Und das Prostituiertenschutzgesetz sei „entgegen einer schon weit vor dem Abschluss dieser Evaluation zu lesenden Bewertung“ keineswegs gescheitert. Allerdings lasse seine Wirkung sich noch „deutlich steigern“, sofern „behebbare Schwächen“ angegangen würden.

Dazu zählt die Akzeptanz des Anmeldeverfahrens unter den Prostituierten. Diese hätten zum Teil Sorge um die Sicherheit ihrer Daten bei den Behörden, was unter anderem an der Benachteiligung und Stigmatisierung liege, die Prostituierten entgegen gebracht werde. Zudem müsse über einen niedrigschwelligeren Zugang zum Anmeldeverfahren nachgedacht werden. Dieses biete sich zugleich an, um Personen „in die Lage zu versetzen, informiert über die Aufnahme der mit bestimmten Risiken behafteten“ Tätigkeit zu entscheiden.

Die Forschenden stellen außerdem fest, dass Sach­be­ar­bei­te­r*in­nen zum Teil keine Fortbildungen zum Gesetz bekommen. Oft fehle ihnen zudem die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Prostituierten. Dem könne über eine Zentralisierung der Anmeldung in den Ländern entgegengewirkt werden. Helfen könne diese auch dabei, Prostituierte zu identifizieren, die von Menschenhandel oder Ausbeutung betroffen sind.

Appell für sachliche Diskussion

Für die Evaluation wurden mehr als 2.300 Prostituierte, 800 Mitarbeitende von Behörden, 3.400 Kun­d*in­nen und 280 Gewerbetreibende befragt. So sei es gelungen, „ein außerordentlich breites Spektrum an Menschen zu befragen“, so das KFN. Da weiter „keine belastbaren Erkenntnisse über die Grundgesamtheit der hierzulande tätigen Prostituierten“ vorlägen, könne nicht abschließend beantwortet werden, ob die Ergebnisse repräsentativ seien. Sie seien für die untersuchten Gruppen jedoch „in jedem Fall“ aussagekräftig.

Eines der spannendsten Ergebnisse der nun vorgelegten Evaluation sei für ihn, dass Menschen in der Prostitution sich als deutlich selbstbestimmter sähen als Menschen von außen, etwa in Behörden, sagte Studienautor Tillmann Bartsch der taz. „Ich würde mir wünschen, dass wir im Hinblick auf das Thema Prostitution zu einer sachlichen Diskussion kommen“, sagte er. „Wir sollten überlegen, wie dieser Lebensbereich so geregelt werden kann, dass es insbesondere für diejenigen, die der Prostitution nachgehen, gewinnbringend sein kann.“

Die Evaluation diene „als datenbasierte Grundlage für die weitere politische und rechtliche Auseinandersetzung mit dem Thema Prostitution in Deutschland“, erklärte am Dienstag Bundesfrauenministerin Karin Prien (CDU). Der Schutz vor Zwangsprostitution und sexueller Ausbeutung wie auch die Rechte der Betroffenen seien wichtige Aufgaben. Nun werde „eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt“, um diese Ziele zu erreichen.

Die Grüne Denise Loop mahnte derweil: „Das Prostituiertenschutzgesetz verfehlt in Teilen seinen Anspruch, Sex­ar­bei­te­r*in­nen wirksam zu schützen“, sagte die Sprecherin für Sexarbeit und Menschenhandel. Es müsse nun so verbessert werden, dass die Rechte von Sex­ar­bei­te­r*in­nen gestärkt und die legale Arbeit sicherer werde, zum Beispiel durch geschulte Ansprechpersonen in Behörden, unabhängige Beratungen und flächendeckende Gesundheitsangebote.

Johanna Weber vom Berufsverband erotischer und sexueller Dienstleistungen sagte, die Evaluation müsse den Weg weisen zu besseren Reglungen und Rechten. Der Verband fordert dennoch weiter eine Abschaffung des Gesetzes.

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