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Schutz für WhistleblowerSieg für Altenpflegerin

Eine Pflegerin zeigte ihren Arbeitgeber Vivantes an, wurde gekündigt und zog vor den Gerichtshof für Menschenrechte. Mit Erfolg.

Bekommt 10.000 Euro Schadensersatz: Altenpflegerin Brigitte Heinisch. Bild: dapd

FREIBURG taz | Deutschland hat die Rechte der engagierten Altenpflegerin Brigitte Heinisch nicht genügend geschützt. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Heinisch war nach einer Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber fristlos gekündigt worden. Die deutsche Justiz hielt die Kündigung für gerechtfertigt. Damit habe sie jedoch Heinischs Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Die heute 49-Jährige arbeitete von 2000 bis Anfang 2005 als Altenpflegerin bei dem Berliner Gesundheitskonzern Vivantes. Das Unternehmen, das dem Land Berlin gehört, betreibt acht Krankenhäuser und zwölf Pflegeheime.

Heinisch machte ihre Vorgesetzten immer wieder auf Personalknappheit in den Heimen aufmerksam. Allein oder mit anderen gab sie Überlastungsanzeigen ab. Sie wollte nicht zu dritt einen Nachtdienst für 130 zum Teil verwirrte Bewohner verrichten. Sie wollte auch nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass ungelernte Studenten Medikamente an Heimbewohner ausgeben. Ohnehin sei keine Zeit gewesen, sich auch menschlich um die vielfach dementen Leute zu kümmern.

Nach ihrem Eindruck bügelte Vivantes die Beschwerden nur ab. Teilweise wurden aufmüpfige Pflegeteams auseinandergerissen, die Mitarbeiter bekamen anschließend noch mehr Arbeit. Die Konflikte zermürbten Heinisch, sie bekam Probleme mit dem Herz, mit dem Magen, war monatelang krankgeschrieben.

Im Januar 2005 kündigte Vivantes das Arbeitsverhältnis mit Heinisch erstmals - wegen ihrer häufigen Krankheiten. Heinisch sah das als Vorwand und sammelte einen "Solikreis menschenwürdige Pflege" um sich. Gemeinsam verfasste man ein Flugblatt zum "alltäglichen Pflegewahnsinn", das auch in den Heimen verteilt wurde. Vivantes kündigte Heinisch deshalb im Februar 2005 zum zweiten Mal, diesmal fristlos. Sie bringe Vivantes öffentlich "in Misskredit" und füge dem Unternehmen schweren wirtschaftlichen Schaden zu.

Dusche einmal die Woche

Das Arbeitsgericht Berlin lehnte die fristlose Kündigung ab. Das Flugblatt sei in "Wahrnehmung berechtigter Interessen" geschrieben worden. Vivantes ging in Berufung. Erst beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin stand die Strafanzeige, die Heinisch bereits im Dezember 2004 erstattet hatte, im Mittelpunkt.

Heinisch warf Vivantes in der Anzeige schweren Betrug vor. Das Unternehmen verspreche zwar Pflege, die sich "konsequent an der Würde des Menschen" orientiere, wegen des bestehenden Personalmangels sei aber eine ausreichende pflegerische Versorgung der Bewohner nicht gewährleistet. Ausdrücklich heißt es in der Strafanzeige: "So werden Bewohner etwa nur einmal in der Woche geduscht und müssen teilweise stundenlang in ihren Exkrementen liegen, bevor sie gewaschen und das Bett gereinigt werden." Die Staatsanwaltschaft ermittelte nicht gegen Vivantes.

Folgen hatte die Anzeige aber für Brigitte Heinisch. Das LAG hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Die Strafanzeige wegen Betrugs sei "ins Blaue hinein" erfolgt. Sie habe den Vorwurf falscher Abrechnungen "leichtfertig" und ohne erforderliche Präzisierung erhoben. Der bloße Hinweis auf Personalmangel trage den Vorwurf des Betrugs noch nicht. Damit habe sie ihre Loyalitätspflicht als Arbeitnehmerin verletzt. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Beschwerde gegen das Berliner Urteil ohne Begründung ab.

Der Gerichtshof für Menschenrechte sah dies nun aber anders. Die Angaben Heinischs in der Strafanzeige seien nicht leichtfertig gewesen, sondern ansatzweise durch Prüfberichte des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) bestätigt. Sie habe sich aber nicht darauf verlassen können, dass eine Kritik des MDK das Problem schon lösen werde. Der Straßburger Gerichtshof kam deshalb zum Schluss, dass das öffentliche Interesse an Informationen über mangelhafte Altenpflege höher zu bewerten sei als das Interesse von Vivantes an seinem guten Ruf. Die Kündigung hätte vom LAG also beanstandet werden müssen, auch wegen der abschreckenden Wirkung auf andere Beschäftigte.

Heinisch bekommt 10.000 Euro Schadensersatz. Bezahlen muss die Bundesrepublik.

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20 Kommentare

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  • E
    emil

    unser gesundheitsssystem ist viel zu teuer, dafür dass mit beschäftigten und zu behandelnden so umgegangen wird.

    sowas als rentablen wirtschaftsbetrieb führen zu wollen ist unmenschlich.

  • T
    Teerpaul

    Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist nur zu begrüßen. Da ist doch die EU mal zu was nutze.

    Leider hat es keine tatsächlichen Auswirkungen.

     

    Die geschilderten Zustände in den Altenpflegeheimen sind leider ein Systemfehler. Ein Systemfehler im gesamten sozialen Dienstleistungsbereich.

     

    Aber bleiben wir bei den Seniorenheimen (wie sie jetz so schön heißen). Das Ziel des Betreibers ist nicht mehr die Betreuung alter Menschen, sondern die Gewinnerzielung. Harald Ehlers in Berlin (Maseratiharry) hat das als "Socialprofit" gesellschaftsfähig gemacht. (Man beachte die von Ehlers gewählte kreative Schreibweise.)

     

    Jedes Unternehmen muss sich immer an seinem Ziel ausrichten. In diesem Fall nicht am Ziel alten Menschen zu helfen, sondern Gewinn erzielen.

     

    Wie kann man in diesem Bereich Gewinn erzielen? Richtig: Indem weniger Geld ausgegeben wird als eingenommen wird.

    Im Klartext: Der Pflegesatz, der keinen Profit enthält, darf nicht ausgegeben werden.

    Wo spare ich?

    Bei der größten Kostenposition. Das sind die Personalkosten. Sie betragen 60-70% der Gesamtkosten.

    Jeder Unternehmer ist gut beraten, wenn er seine Einsparungen bei der größten Kostenposition ansetzt.

     

    Wie kann ich einsparen?

    - Untertarifliche Bezahlung

    - Unterqualifiziertes Personal

    - Überwiegend jüngere Mitarbeiter

    - Unterschreitung des Personalschlüssels

    Ich lass es mal dabei. Sicherlich gibt es noch mehr.

     

    Dadurch läßt sich Gewinn erzielen, "Socialprofit" machen.

     

    Das machen ALLE !!!

     

    Das Ergebnis ist zwangsläufig die Überforderung der Pflegekräfte und die Unterversorgung der Pflegebedürftigen.

     

    Dadurch das es ALLE machen, wird es noch nicht gut und richtig.

    Es ist eben ein Systemfehler. Der ließe sich ganz einfach beseitigen, indem es den gGmbH's verboten wird Gewinne zu machen. Warum heißen sie den "Gemeinnützig", wenn sie eigennützig handeln, ja, es zum alleinigen Ziel ihres Handelns machen können?

     

    Gegen den Chef der Treberhilfe - Maseratenharry - ermitteln die Staatsanwaltschft und die Finanzbehörde seit einem Jahr. Ein Ergebnis ist bisher nicht bekannt geworden.

     

    Es gibt bisher keine politische Initiative, die geschilderten Missstände im Sozialbereich zu beseitigen.

     

    Ist es falsch, wenn ich daraus folgere, dass zu Viele ihren Profitlöffel in diese "Suppe" halten und finanzielle Vorteile daraus schöpfen?

     

    Es gibt keine Partei, wirklich KEINE, die ernsthaft Initiative ergreifen würde.

    Das kann man hier in Berlin ganz deutlich sehen.

    Außer Schaumschlägerei ist nichts passiert.

    Der Schaum hat sich verzogen und die "Profitsuppe" ist einladend wie zuvor!

  • T
    thoni

    Letzte Woche die fragwürdigen Umstände in der Behindertenarbeit, diese Woche die beschämenden Umstände in den Pflegeeinrichtungen...

     

    Wie können sich solche eklatanten Missstände „in der Pflege“ durchsetzen & halten?

     

    @anomymus: Wenn der MDK die „Kontrollbehörde“ sein soll, die u. a. die Personalschlüssel prüfen & so offenkundig versagen, wer überprüft denn die Arbeit vom MDK auf so fahrlässig erscheinende Art & Weise?

     

    Was passiert mit den Betreuungsgeldern, wenn sie offenkundig nicht für die Gehälter gut ausgebildeter & angemessen bezahlter Pflege-Fachkräfte bereitgestellt werden? Ist dieses Geld der Angehörigen bzw. Pflegeversicherungen nicht in besonderer Form rechenschaftspflichtig? Wer genau ist zuständig dafür, dass die Jahresabschlüsse von Pflegeeinrichtungen auf ihre Zweckidentität bei den Erlösen aus der Pflege geprüft werden? Wird durch das Nicht-Eingreifen einer solchen Stelle dem Missbrauch von zweckgebundenem Geld nicht geradezu Tür & Tor geöffnet, so dass sich hier ein beachtliches Systemversagen andeutet? Wem nutzt so ein Verhalten & für wie lange?

     

    Älter werden wir alle – lasst uns JETZT die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass das eine tolle Zeit unseres Lebens ist!

     

    @Abby: Dein Kommentar hört sich echt resigniert an; das tut mir leid für Dich. Ich wünsche Dir, dass Du die Erfahrung machen kannst, dass es der Mühe wert ist, Deine Stimme zu erheben – für Dich & andere.

  • H
    Heinrich

    Leider muss ich anerkennen das diese Zustande nicht nur in Deutschland vorkommen.

    Bei uns in Holland gibt es auch Mensunwurdige Situazionen in die PflegeHeime.

    Was zu denken von patienten festbinden am Heizung um das problem zu losen!!!!!!

     

    Und auch hier zieht der arbeiter, der klagt, an der Kurze stock. Auch hier ruft mann nur "Loyalitat an der Arbeitgeber"

    Ich denke mann sollte eine Europaische Aktion starten gegen solche Zustande.

    Vielleicht mit Alle nach Brussel?/

     

    grusse aus Holland

  • EA
    E. Allgeier

    In Deutschland hat sich im Zuge der neoliberalen Entwicklung der "Mitarbeiter" zum Lohnsklaven entwickelt, und so wird er auch nicht nur von der Wirtschaft, sondern auch von den Kumpanen an den Gerichten gesehen. Kuschen und funktionieren, wie ein Nutztier. Und die Letzten in dieser Verwertungskette, die Alten und Kranken = die Nutzlosen, sind völlig wehr- und rechtlos.

    Das erinnert mich an einen Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1973, wo die Alten zu "Soylent green" (solltet ihr mal googeln) verarbeitet werden. Der Film spielt im Jahr 2022. Das ist nicht mehr lange hin - und die Entwicklung läuft geradewegs darauf zu.

  • G
    Grundstein

    Ein Punkt wird in der ganzen Diskussion leider übersehen: Die Zustände in dem Altenpflegeheim waren immerhin so schlecht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Anzeige für gerechtfertigt hielt. Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte seinerzeit die Ermittlungen erst gar nicht aufgenommen. War das die typische Beißhemmung der Berliner Justiz, wenn es um das "offizielle Berlin" geht? Inzwischen ist leider alles Strafrechtliche verjährt.

    Und: Über die Berliner Arbeitsrichter muss man wirklich kein Wort mehr verlieren - peinlich das alles.

  • A
    Abby

    Naja... was hat sie jetzt am Ende von den 10.000 Euro und davon, das sie Recht hatte?

    Mit 49 wird sie wohl niegends mehr eingestellt werden. Mit einem Vermögen von 10.000 Euro kriegt sich nicht mal Hartz4.

    Da wäre Klappe halten echt besser gewesen.

  • GS
    Gut so!

    ...Pflegeheime gehören abgeschafft. Ambulant vor stationär wird ja schon vom Gesetzgeber gefördert. Und das ist auch gut so.

  • P
    Pearl

    Wow! Großen Respekt für soviel Mut und Standhaftigkeit! Glückwünsche zum Urteil!

     

    Und jedeR weiß jetzt über die katastropahlen Zustände in den Pflegeeinrichtungen von Vivantes bescheid. Durch die Offenlegung wird vielen viel Kummer und Leid in der Zukunft erspart bleiben - dafür das Bundesverdienstkreuz für die Klägerin!

  • TA
    T. A.

    Ich kenne exakt die gleichen Arbeitsbedingungen und Umgang mit Bewohnern aus einem evangelischen Altenheim. Zu wenig Mitarbeiter, man ignoriert die Rufe der Bewohner wegen Überlastung und unqualifizierte Pflegeschüler geben Medikamente aus. Horror.

     

    Und Inspektionen werden lange vorher angekündigt. Dann beginnt die große Säuberungsaktion, speziell abgestellte Mitarbeiter korrigieren (oder besser gesagt manipulieren) im Akkord die Pflegeberichte und voila das Altenheim bekommt die Bestnote. Menschen sind zweitrangig. Die Gewinnmaximierung ist den Kirchen heilig.

  • P
    P.Haller

    Skandalös ist nicht, dass Vivantes seine unbequeme Mitarbeiterin rausschmeist (das läuft nun mal leider so in unserem bescheuertem Wirtschaftssystem), das Skandalöse ist, dass sogar deutsche Gerichte solche Praktiken unterstützen und sich so wiederholt zu Handlangern der Wirtschaft degradieren.

  • V
    vantast

    Welch tapfere Frau! Nur unsere Richter haben wieder versagt, sie unterstützten das Unrecht, klar, sie halten meistens zu den Kumpanen der Oberklasse. Die Staatsanwaltschaft fand, wie meistens, das Unrecht o.k.

  • A
    Anomymus

    Da ich selbst leitende Kraft in einem Alenheim bin kenn ich die Probleme zu genüge. Schuld an den katastrophalen Zuständen in unseren Heimen haben in den seltensten Fällen gierige Betreiber (ausgenommen einige wenige Aktiengesellschaften, die mit Pflege fette Renditen einfahren müßen).

    Problem 1: Fachkräftemangel; wer will diesen undankbaren Job schon lernen. Hohe Anforderungen, viel Verantwortung und das im Schichtdienst. Die Krönung dann noch von 580 € Ausbildungsvergütung oftmals einen dreistelligen Betrag an Schulgeld abtreten zu müßen!

    Problem 2: Der MDK bzw. die Kassen slebst. Der MDK vergibt die Pflegestufen, nach denen sich das Heimentgeld und damit auch der Personalschlüsset/Stellenplan ergibt. Wenn bei Bewohenern z.B. Verbandswechsel (auch wenns stinkt und man da über eine Stunde hinwurstelt) oder Begleitung beim Gehen wg. der Sturzgefahr nicht in die Vergabe der Pflegestufe eingehen, dann besteht plötzlich Zeitmangel und damit irgendwann auch Frustration und ein LECK MICH AM ARSCH GEFÜHL bei den Pflegekräften

    Problem 3: Wieder ist der MDK zu nennen, diesmal in seiner Funktion als Kontrollaufsicht. Die Herrschaften dürfen in ihren Kontollen nähmlich vorrangig nur das Papier, also die Dokumentation prüfen. Somit ist es für gute Noten vom MDK egal ob der Bewohner an die frische Luft kommt, ob seine Füße gewaschen werden oder gar die Ohren geputzt. Wichtig ist ganz allein, daß dies irgendwo als zu erledigen in einer Pflegeplanung steht, die möglichst aktuell sein muß... Also verbringt die Pflegefachkraft mehr Zeit im Böro, als am MENSCHEN. Davon bekommt die gescholtene Kraft dann zumindest keine Rückenschmerzen.

  • AS
    Axel Schweiss

    Hoffentlich werd´ ich nicht alt...moechte ungern

    stundenlang in meinen Exkrementen liegen.

     

    Hab´ großen Respect vor dieser Frau.

     

    Gruss Tobi

  • T
    Tom

    Großen Respekt vor so viel Mut und Ausdauer.

  • JS
    Jens Schlegel

    10 000€ für die Frau. Was haben die ganzen Verfahren gekostet? Die übrigens berechtigt waren. Aber 10000€ für eine Frau mit Courage, die nun Arbeitslos ist - und wahrscheinlich bleiben wird.

  • D
    Dylan

    Immerhin...

     

    Sonst kann man sich ja bisweilen auf das Verfassungsgericht verlassen, nun aber mal

    was Positives im Rahmen der EU.

     

    Es ist mir ein Rätsel, dass die Missstände im

    Pflegebereich und generell im sozialen Sektor in Deutschland nicht viel mehr Protest hervorrufen,

    schließlich betrifft das sogar jeden irgendwann.

  • H
    hosenrunter

    ich habe jahrelang als Altenpfleger für ein katholisches Altenpflegeheim in Weißensee gearbeitet. unser Team hat unter den gleichen Umständen arbeiten müssen, oft nur eine examinierte Pflegekraft für zwei Wohnbereiche, ansonsten nur Zivis und Auszubildende..wir prangerten die Zustände an, fast das ganze Team wurde daraufhin entlassen. ich wurde über mehr als zwei Stunden während meiner Arbeitszeit vom Personalchef in einen Raum eingeschlossen und genötigt, eine vorformulierte Kündigung zu unterschreiben, was ich verweigerte.

    in einem Dienst, in dem ich mit zwei Schülerinnen allein für 40 alte Menschen mit überwiegend Pflegestufe 3 zuständig war, entglitt ein Mann einer Schülerin und brach sich den Oberschenkelhals. durch diesen Bruch wurde er bettlägerig und starb an einer Lungenentzündung.

    mir als unliebsamem Mitarbeiter wurde daraufhin angedroht, wenn ich je wieder das Heim betrete, werde Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung in diesem Fall gegen mich erstattet. so wurde ich, von dem katholischen Heim ausgesaugt, arbeitslos und glitt in die Sozialhilfe ab, weil ich nach sieben Jahren Akkord in der Altenpflege mit einem Burn Out arbeitsunfähig und nervlich zu schwach für Gegenwehr wurde.

    Mich freut es sehr zu hören, dass eine Frau, die gegen diese Umstände kämpfte, nun Recht bekam und entschädigt wird. ich habe meine Gesundheit und meine Arbeit verloren und es hat mich mehr als sechs Jahre gekostet, in das Berufsleben zurückzukehren. ich leide noch heute an den Folgen der Arbeit in der Altenpflege. es gab einfach zu viele Tage, an denen wir aus Personalknappheit nicht sicherstellen konnten, dass alle Heimbewohner an jeder Mahlzeit teilnehmen konnten - und das bei Preisen von ca. 3000€/Monat bei Pflegestufe 3! die Altenpflege in Deutschland ist menschenunwürdig für Pflegekräfte und Heimbewohner!

  • M
    menschenfreund

    Eines Vorab: diese Menschen sind alles andere als Pfeifen (Wenn man die engl. Bezeichnung ein wenig böswillig interpretiert). Solche Menschen sind (über-) lebenswichtig, im wahren Wortsinn und ihnen gehört meine ganze Anerkennung und Sympathie.

    Keinerlei Sympathie dagegen gebührt den Laberköpfen/innen, die in Sonntagsreden von „Zivilcourage“ labern, selbst aus Angst, man könnte an ihrem schönen breiten und warmen Stuhl sägen, sorgfältig davon Abstand nehmen. Die im gleichen Atemzug geradezu schäbige, in jedem Fall aber schädliche Gesetze formulieren, verabschieden und dann auch noch umsetzen (lassen, dafür haben sie nämlich ihre Knechte/innen). Gesetze, die es möglich machen, daß hirn- und gewissenlose, bestenfalls gleichgültige bis unfähige Profitgeier die Menschenwürde mit Füßen treten, ihre Mahner/innen und Fachleute/innen materiell, physisch und psychisch ruinieren.

    Aus selbem Holz sind diejenigen geschnitzt, die es fertig bringen, eine Frau mit vier bestens integrierten Kindern wegen eines einzigen fehlenden Tages um die Aufenthaltsfrist zu erfüllen, ausweisen zu wollen.

    An solchen Menschen können die „Mächtigen“ ihr „Mütchen“ kühlen, jedoch gegenüber Verbrechergesindel sind ja soooo machtlos.

    Das nennt man wohl dreifachen Gesinnungs-Rittberger. Wie widerlich!

    Um so tröstlicher ist es, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ihnen diese schallende Ohrfeige verpaßt hat. Sie haben sie redlich verdient!

    Ich bin nur gespannt, wie das Urteil in unserem demokratischen „Ordnungsstaat“ umgesetzt wird. In jedem Fall gehört der Frau Brigitte Heinisch kein Trinkgeld von 10.000 €, sondern eine angemessene Entschädigung nebst einer menschenwürdigen Absicherung für ihre hoffentlich glücklichere Zukunft.

  • H
    Hans

    Ich habe bisher immer auf das Bundesverfassungsgericht gesetzt, um politische Missstände zu korrigieren, nun der EuGH. Auch gut, solange die Demokratie gewinnt.