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SchulreformSenat sucht Schulfrieden

Nach Bericht von Schlichter Otto sieht Schulsenatorin Goetsch Möglichkeiten für einen Kompromiss. Elternkammer-Vorstand erwägt Probewoche am Gymnasium.

Einigung in Sicht: Mithilfe von Schlichter Michael Otto schauen Christa Goetsch und Ole von Beust positiv in die Zukunft. Bild: dpa

Der im Streit um die Primarschule eingesetzte Moderator Michael Otto hat am gestrigen Donnerstag CDU-Bürgermeister Ole von Beust und GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch seine Kompromissideen vorgestellt. "Wenn guter Wille auf beiden Seiten besteht, müsste eine Einigung erzielt werden können", sagte Otto, der im Dezember mit der Volksinitiative "Wir wollen lernen" (WWL) gesprochen hatte. Die direkten Verhandlungen von Reformgegnern mit CDU und GAL beginnen nächsten Freitag.

Welche Ideen Otto hat, behielten Goetsch und von Beust für sich, gaben sich aber optimistisch. Er sei "guter Hoffnung, einen Weg zu finden, der den Anliegen aller Beteiligten gerecht wird", sagte von Beust. Und Goetsch ergänzte, nach Ottos Informationen sehe sie "Möglichkeiten für einen tragfähigen Kompromiss". Das sehen andere skeptischer. WWL-Sprecher Walter Scheuerl hatte gestern in der Hamburger Morgenpost erklärt, mit dem Elternwahlrecht allein sei die Initiative nicht zufrieden. "Das wäre keine Lösung, weil da die Gymnasien überlaufen würden." Die Schulen sollten selbst entscheiden, ob sie Primarschule werden oder nicht.

Doch eine solche Lösung wäre Stückwerk, warnt Peter Albrecht vom Vorstand der Elternkammer. "Ich hoffe, dass am Ende der Verhandlungen keine faulen Kompromisse herauskommen." Auch Stefanie von Berg von der Elterninitiative Pro-Schulreform befürchtet "erhebliche Abstriche" bei der Primarschule und eine "starke Verunsicherung der betroffenen Eltern, Lehrer und Schüler". Eine umstrittene Variante ist, die Primarschule nur nach und nach, Region für Region einzuführen, zuletzt im aufmüpfigen Hamburger Westen.

Gymnasium oder nicht

Der SPD-Politiker Ties Rabe hat eine große Anfrage zur Verteilung von Gymnasialempfehlungen gestellt und kommt zum Fazit, dass diese sozial ungerecht ist.

44 Prozent der Viertklässler erhielten im Schuljahr 2007 / 2008 die Empfehlung.

Dreimal häufiger aufs Gymnasium geschickt als Kinder aus benachteiligten Vierteln werden Kinder aus wohlhabenden Vierteln.

Besonders niedrig ist die Rate in Billstedt Horn (23,1 Prozent), Wilhelmsburg (23,6 Prozent).

Besonders hoch ist sie in Othmarschen (70,7 Prozent) und Eimsbüttel (70,5 Prozent).

Die Schulbehörde sieht sich durch diese Zahlen in ihren Reformplänen bestätigt.

Als recht sicher gilt, dass der Senat eine Form des Elternwahlrechts einführen wird. Vor allem Gymnasialschulleiter wenden sich jedoch gegen ein absolutes Elternwahlrecht, bei dem alle Kinder auf dem Gymnasium blieben. Eine ein- oder zweijährige Probezeit gilt jedoch als Belastung für die Schüler, die sich nicht heimisch fühlen können. Nach dem Motto: je kürzer, desto besser wird unter Rektoren und im Vorstand der Elternkammer jetzt die neue Variante einer einwöchigen Probezeit diskutiert, die Kinder ohne Gymnasialempfehlung noch in der sechsten Klasse mitmachen können.

Ole von Beust will die Suche nach dem Schulfrieden auf breitere Beine stellen und SPD, FDP und Linke einbinden. Er kündigte in der Süddeutschen Zeitung an "für die Dauer von zehn Jahren" einen Kompromiss festzulegen. Von der Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn, erhielt er einen Korb: "Wir brauchen keinen Schulfrieden, in dem der Willen der Starken in der Gesellschaft den Schwachen aufdrückt wird", erklärte sie. Der angepeilte Frieden bedeute "zehn Jahre Stillstand in der Bildungspolitik".

Ein bisschen Schulfrieden gibt es im Netz. Die Elternkammer hat ihr Internet-Forum eingestellt - weil sich die Fronten zu sehr verhärtet hatten.

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1 Kommentar

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  • BL
    B. Leiblich

    Die derzeitigen Schulreformpläne sind bereits ein geradezu arithmetischer Kompromiss der nur zur Koalitionsbildung in Hamburg taugte aber nichts mit sinnvoller langfristiger Bildungspolitik zu tun hat. Auf einen faulen Kompromiss einen weiteren faulen Kompromiss zu setzen macht die Sache nur noch schlimmer.

     

    Es ist ganz klar, daß die Beibehaltung des Elternwahlrechtes in der jetzigen (und nicht in einer abgeschwächten Form) die gesamte Reform faktisch kippen würde, denn Elemente der Schulreform sind auch

     

    - Wegfall der Beobachtungsstufe in Klasse 5 und 6

    - Wegfall des "Sitzenbleibens"

     

    Damit würden dann die Gymnasien mit Schülern "geflutet". Dies Stadtteilschule wäre dann die Restschule.

     

    Dann könnte Frau Goetsch nur noch mit einer "Quotierung" operieren. Aus jeder Primarschule dürften dann nur noch x % auf das Gymnasium.

     

    Nun soll es aber derzeit auch Grundschulen geben, die einen sehr hohen Anteil an "Gymnasialempfehlungen" haben.

     

    Werden diese dann teilweise durch eine "politische" Quotierung auf die Stadteilschule geschickt?

     

    Die jetzige Primarschulreform ist leider ein undurchdachtes Flickwerk und kann ihren Ansprüchen nie auch nur im Ansatz gerecht werden.

     

    Im Zweifelsfall lieber einen Volksentscheid!