Schulreform-Debatte: Elternwahlrecht - aber wie?
Die Schulreform hat bei Umfragen eine Mehrheit - wenn man das Elternwahlrecht belässt. Wer das nicht respektiert, stellt die Reform der Gymnasien zur Disposition. Ein Debattenbeitrag.
Eine Mehrheit ist für die Schulreform, wenn das Elternwahlrecht bleibt. Das ergab jetzt eine Umfrage des Abendblatts. Die Bedeutung dieses Rechts hat Schwarz-Grün unterschätzt. Nach Klasse 6 sollte die Lehrerkonferenz entscheiden, auf welche Schulform ein Kind geht. Mit Hilfe von Tests und Diagnostik wollte man dabei Fehlurteile vermeiden. Doch das entkräftet das Unbehagen der Bevölkerung nicht.
Dabei sprechen eine Reihe Argumente für diesen Weg. Heute melden über 50 Prozent der Eltern ihr Kind am Gymnasium an, von denen aber beispielweise den jetzigen Oberstufenjahrgang nur 75 Prozent erreichten. In dem neuen System gehen unterwegs keine Kinder verloren, sind die Chancen zum Abitur besser denn je. Bietet doch auch die Stadtteilschule die Hochschulreife an. Die verpasste Gymnasialempfehlung ist keine Schicksalsentscheidung mehr.
Und trotzdem wollen die Menschen auf dieses Recht nicht verzichten. Jeder kennt oder kannte ungerechte Lehrer oder jemanden, der offenkundig die falsche Empfehlung bekam. Es regt sich Widerstand dagegen, ein Entscheidungsrecht, sei es nur für die Klasse 5 und 6, an den Staat abzugeben. Der könnte Kriterien ja verändern und bekäme eine Stellschraube in die Hand.
Die Frage ist nur, in welcher Form das Elternwahlrecht fortgeführt wird. Denkbar sind zwei Varianten. Es könnte ein Probehalbjahr oder Probejahr auf dem Gymnasium geben. Dagegen sprechen sich sehr viele Reformer in der Stadt aus. Ihr Argument: es würde zwar nicht der politische, wohl aber der innere Schulfrieden gefährdet. Die Gymnasiallehrer müssten sich in der Probezeit nicht wirklich um die Kinder bemühen. Die Stadtteilschulen müssten in Klasse 8 die "Rückläufer" aufnehmen und könnten vorher nicht ruhig arbeiten.
Der Grundschulverband spricht sich deswegen für die große Variante aus. "Wenn ein Elternwahlrecht, dann muss es von Klasse 7 bis 10 gelten", sagte die Vorsitzende Susanne Peters. Andernfalls wäre die eigentliche Reform der Gymnasien in Gefahr. Sie sollen die Schüler individuell fördern, statt auszusortieren, und den erreichten Schulabschluss erteilen. "Das hat den pädagogischen Vorteil, dass Kinder nicht beschämt werden", sagt Peters. Nur über positive Rückmeldungen gelinge Bildung, das sei "allen europäischen Ländern klar".
Auch hier gibt es Bedenken. Dem harten Kern der Primarschulgegner dürfte diese Öffnung der Gymnasien nicht passen. Und manche Stadtteilschule könnte einen schwierigeren Start haben. Peters ist aber zuversichtlich, dass sich das Zwei-Säulen-Modell auch mit großem Elternwahlrecht gut entwickelt. "Es müsste eine intensive Beratung geben", sagt sie. Viele Eltern wollten für ihr Kind das Mehr an Lernzeit, das mit dem 13-jährigen Abitur der Stadtteilschule geboten wird.
Doch wäre Schwarz-Grün bereit zu so einem Schritt? Die Schulbehörde gibt zurzeit zu Kompromisslinien keine Auskunft. Und der SPD-Fraktionschef Michael Neumann propagiert zwar "Schulfrieden", nimmt aber zu Details keine Stellung.
"Wer das Elternrecht propagiert, soll offen sagen, wie er es gestalten will", sagt Elternvereinsvorsitzende Sabine Boeddinghaus in Richtung SPD. Wolle die eine Öffnung der Gymnasien, sei das eine Chance für alle. Eine Probezeit aber wäre eine Fortsetzung der sozialen Selektion, nur nicht "nach Klasse vier, sondern nach Klasse sechs".
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