Schulnoten für Pflegeheime: Der TÜV des Gesundheitswesens
Welches Heim das passende ist, lässt sich künftig leichter herausfinden. Prüftrupps vergeben Noten von Eins bis Fünf.
BERLIN taz Ob ein Pflegeheim tatsächlich etwas taugt, sollen ab Ende August auch Laien verstehen können. Dann erhalten die rund 11.000 stationären Heime in Deutschland für ihre Leistungen nach und nach Noten zwischen Eins und Fünf, die im Internet veröffentlicht werden.
Einmal im Jahr wird der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), eine Art TÜV des Gesundheitswesens, künftig jedes Heim ohne Vorwarnung überprüfen. Das erklärten Vertreter vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und Medizinischem Dienst am Montag in Berlin.
Insgesamt werden die unangemeldeten Besucher die Heime für stationäre Pflege in 82 Kriterien prüfen. Allein die pflegerische und medizinische Versorgung umfasst 35 Kriterien. Zehn Punkte umfassen die Fragen zum Umgang mit Demenzkranken und zur Alltagsgestaltung. 18 Kriterien werden über Einzelgespräche mit vor Ort ausgewählten Bewohnern erfasst, hinzu kommen 9 Punkte zum Thema "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene". Für jeden dieser fünf Themenbereiche erhalten die Heime von den zu zweit arbeitenden Prüfern eine Einzelnote zwischen Eins und Fünf. Dazu kommt ein Gesamtergebnis, eine Art Schnitt aus allen Ergebnissen der 82 Kriterien.
Schon bislang prüft der Medizinische Dienst Heime, aber nicht systematisch alle und nicht nach den künftigen Standards. Auf diese Anforderungen einigten sich Kassen- und Heimverbände nach langem Hin und Her erst Ende 2008. "Ich gehe davon aus, dass wir ab Mai 2009 Qualitätsprüfungen nach dem neuen Prüfkatalog durchführen können", sagte der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes, Peter Pick. Das neue Kontrollsystem gehört zur jüngsten Pflegereform aus dem vergangenen Jahr. Bis Ende 2010 müssen demnach alle Heime mit ihren 671.000 Bewohnern geprüft sein. Auf eine zentrale Internetseite, die alle Daten veröffentlicht, haben sich Kassen und Heime nicht einigen können. Deshalb werden die Pflegekassen jedes Bundeslands einzeln die Daten auf ihren Internetseiten und in Broschüren veröffentlichen.
Das kann im Einzelfall noch etwas dauern. Denn erst, wenn 20 Prozent aller Heime eines Bundeslandes geprüft sind, sollen die Daten öffentlich gemacht werden. So könnten Interessierte besser vergleichen, argumentierte Karl-Dieter Voß vom Spitzenverband der Krankenkassen.
Peter Pick vom Medizinischen Dienst verteidigte das neue System gegen Sorgen, die Heimbetreiber könnten die Tests beeinflussen. Beispielsweise achteten die Prüfer darauf, Heimbewohner abseits des Personals zu ihrer Zufriedenheit zu befragen. Auch würden die Beurteilungen nur anonymisiert veröffentlicht. Zudem sei es richtig gewesen, kein "K.-o.-Kriterium" einzuführen - also einen Punkt, der nicht durch gutes Abschneiden in anderen Feldern ausgeglichen werden kann. Hingegen gestand Pick, dass die aufwändigen Prüfungen sogar noch mehr Geld kosteten, als zuvor in Medienberichten behauptet wurde: 4.500 Euro pro Heim und Jahr.
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