Schulleitungen fehlen bundesweit: Tausend Schulen ohne Aufsicht
Die Abwesenheitsliste von Schulleitungen wird länger, viele Schulen suchen Ersatz. Schuld ist nicht nur der Lehrkräftemangel.
„Es muss sich schnell etwas ändern“, sagt Anja Bensinger-Stolze von der Bildungsgewerkschaft GEW der taz. Als Vorstandsmitglied für den Bereich Schule beobachtet sie die Entwicklungen schon lange mit Sorge. „Derzeit überlegen sich Viele dreimal, ob sie den Job machen wollen“, sagt sie angesichts der vielen Vakanzen.
Mann und Frau für Alles
Die Direktor:innen müssten immer mehr Aufgaben übernehmen. Sie leiden unter dem Lehrkräftemangel, wenn sie ständig Lücken im Stundenplan füllen oder selbst einspringen müssen. Zudem landen viele Extraprojekte beim Direktorat: etwa die Digitalisierung oder der Neubau der Sporthalle. „Eine Schulleitung sollte keine Bauleitung und IT-Expertin sein müssen“, sagt Bensinger-Stolze.
Stetig herausfordernd seien auch die Organisation der Ganztagsbetreuung und die Inklusion von Schüler:innen. Am meisten auf der Strecke bleibe der Papierkram. Bensinger-Stolze kritisiert, dass in Hessen etwa keine Verwaltungskräfte in Schulbüros mehr existieren. „Es braucht mehr Personal, neben der Leitung auch für die Verwaltung“, so die Vorsitzende.
Öffentlicher Druck auf Schulen steigt
In einer repräsentativen Forsa-Umfrage aus dem letzten Jahr benennen Schulleitungen den steigenden Verwaltungsaufwand als zu belastend. Dazu komme bei 62 Prozent der Befragten der öffentliche Druck. Nach dem Motto: Schulen sollen gesellschaftliche Probleme lösen. Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, bekräftigt das auf Anfrage der taz: „Schulleitungen gewinnen immer mehr das Gefühl, dass die Schule zum Reparaturbetrieb der Gesellschaft verkommt.“
Die Zustände der Schulen wirken sich auf den Bildungserfolg aus. Seit zwanzig Jahren habe sich in den deutschen Pisa-Studien wenig verändert, so Bensinger-Stolze. Das Ergebnis von 2023 beweise erneut, dass die sozioökonomische Herkunft der Schüler:innen immer noch den Bildungserfolg bestimme.
„Die Schulleitungen wollen gestalten und die Lage verbessern. Aber das schaffen sie nicht, weil sie so viel parallel managen müssen“, so die Vorsitzende.
GEW fordert einheitliches Gehalt
Neben dem mangelnden Personal und der Arbeitslast schwankt das Gehalt je nach Bundesland. „Die Arbeit muss besser honoriert werden. Die GEW fordert: Jede voll ausgebildete Lehrkraft muss ein A13 Gehalt als Einstieg erhalten.
Hamburg gehe mit gutem Beispiel voran. Alle Lehrkräfte verdienen dort nach A13 rund 4.500 Euro. Laut Umfrage der NOZ herrscht in Hamburg kaum Mangel an Schulleitungen.
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