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Schuldnerländer kaufen eigene Schulden

■ Vertrag zwischen Banken und Bolivien perfekt / Modellfall für Schuldnerstaaten aus der Dritten Welt

Aus Washington Ulli Kulke

Eine Eier–Art des Kolumbus scheint in der Schuldenkrise gefunden: Die Schuldnerländer kaufen ihre eigenen Schuldscheine mit einem teilweise drastischen Preisabschlag zurück. Der seit vergangenem Jahr blühende Handel mit unsicheren Kreditforderungen an Drittwelt–Länder zu wahren Discountpreisen, der sogenannte debt equity swap, machts möglich. Wie die taz jetzt am Rande der Jahrestagung von Weltbank und Weltwährungsfonds (IWF) in Washington erfuhr, wurde vor wenigen Wochen ein entsprechender Vertrag zwischen rund 250 Gläubigerbanken und Bolivien abgeschlossen. In dem bislang nicht veröffentlichten Vertrag kommt die Bereitschaft der Banken zum Ausdruck, ihre Forderungen zu den Rabattpreisen, die derzeit auf dem „Second Hand“–Markt für Bolivienkredite üblich sind, an das südamerikanische Land direkt zu verkaufen. Auch bundesdeutsche Banken sind an dem Geschäft beteiligt. Das Dokument wurde als Zusatz zum Umschuldungsabkommen der Kreditinstitute mit Bolivien von 1983 erstellt. Dem Vernehmen nach haben vier Banken formell noch nicht unterzeichnet, von ihrer Zustimmung wird jedoch ausgegangen. Die Vereinbarung betrifft die gesamten privaten Bankenkredite, die nicht durch staatliche Bürgschaften abgesichert sind, in ihrer vollen Höhe von 650 Millionen Dollar. Der „Kaufpreis“ für diese Kredite soll nach Auskunft aus bundesdeutschen Bankenkreisen zwischen zehn und 15 Prozent der Kreditsumme betragen, also zwischen 65 und knapp 100 Millionen Dollar liegen. Bereits jetzt werden Forderungen an Bolivien mit solch drastischem Rabatt gehandelt. Andere südamerikanische Länder werden zu 40 oder 60 Prozent taxiert. Die Gläubigerbanken verkaufen ihre Forderungen zu diesem Preis, weil sie entsprechend geringe Hoffnungen haben, die Gelder aus dem zahlungsunfähigen Land einzutreiben. Als Käufer traten bislang Unternehmer auf, die im Schuldnerland selbst investieren wollen und sich dann von der bolivianischen Regierung beziehungsweise der Zentralbank die ursprünglichen Dollarforderungen in einheimischer Währung auszahlen lassen. Nach dem Vertrag zwischen den Banken und der bolivianischen Regierung soll nun der südamerikanische Staat selbst als Käufer auftreten (“Debt Buy Back“). Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Eine formelle Vereinbarung zwischen ausnahmslos allen Banken für den Verkauf ihrer gesamten Forderungen in einem Zug war notwendig, damit nicht eine Bank gerichtlich ihre Forderungen in voller Höhe einzutreiben versucht und entsprechende Pfändungsprozesse in Gang setzt, wenn La Paz anfängt, die Schuldscheine zum Discountpreis aufzukaufen. Schließlich verzichten die Banken zur Zeit auf entsprechende Maßnahmen, weil sie davon ausgehen, daß Bolivien keinen Cent mehr für den Schuldendienst aufbringen kann. Völlig ohne zusätzliches Geld (“fresh money“) wird Bolivien seine eigenen Schuldtitel in des auch nicht zum Preis von zehn Prozent des Nennwertes aufkaufen können. Hier hofft man auf Unterstützung staatlicher Stellen, möglicherweise aus Entwicklungshilfemitteln. Im Reisegepäck von Bundesfinanzminister Stoltenberg für die Weltwährungstagung waren jedenfalls einschlägige Sprechzettel vorbereitet. Auf Anfrage bestätigte der Minister, er gehe davon aus, daß in der Sitzung des Entwicklungsausschusses von Weltbank und IWF am heutigen Montag über eine Unterstützung des Bolivien–Geschäftes aus öffentlichen Mitteln gesprochen werden wird. Der Vertreter einer bundesdeutschen Bank erklärte gegenüber der taz, für den Ankauf durch Bolivien kämen keine neuen Bankenkredite in Frage: „Da sind jetzt die Regierungen gefragt.“ Die öffentlichen Kredite Boli viens sind zwar - für ein Schuldnerland untypisch - erheblich höher als die privaten. Die Gesamtschuld des Landes beträgt 3,9 Milliarden Dollar. Dieser Präzedenzfall eines vertraglichen Forderungsverzichtes privater Banken in der laufenden Schuldenkrise dürfte jedoch nach Meinung von Bankern nicht ohne Folgewirkungen auf staatliche Gläubiger bleiben. Hatten sich doch die Regierungen - nicht zuletzt die Bundesregierung - in der Vergangenheit stets verbal konzessionswillig gezeigt. Mit dem Hinweis, der Handlungsbedarf liege aber bei den Geschäftsbanken, war dann jedoch regelmäßig Schluß, wenn es um konkrete Schritte ging. Bolivien bot sich hier aus mehreren Gründen als Präzedenzfall an. Zum einen haben die Banken seit einiger Zeit Titel des Landes besonders billig auf den Markt ge schmissen. Erst kürzlich ging auch eine US–Umweltschutzorganisation, die „Conservation International“, auf diesen Markt und kaufte einen Schuldtitel über 650.000 Dollar für 100.000 Dollar an. Sie erließ der bolivianischen Regierung dann die Rückzahlung mit der Auflage, einen Naturpark im Lande erheblich zu erweitern. Zum zweiten sind die Regierungen der Gläubigerstaaten in Bolivien relativ stark durch eigene Kreditvergabe oder Kreditbürgschaften engagiert. Die Banken können also durch einen geringen Anteil die Sache ins Rollen bringen: für die Regierungen dürfte es schwierig sein, nicht auf den Zug aufzuspringen, wenn die profitorientierten Banken ihn anschieben. Zum dritten können die Regierungen der Gläubigerstaaten mit dem Bolivien–Geschäft noch andere Forderungen erfül len: Nach Informationen aus Bankenkreisen soll sich die US– Regierung inzwischen stark machen für den Plan und hofft, die bolivianische Regierung zum Kampf gegen die Drogenbranche im Lande zu zwingen.

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