Schuldfrage bei Althaus' Skiunfall: Rätsel hinterm Fangzaun
Auf die Sicht der Dinge kommt es an, aber: Vor allem die Schuldfrage beim Skiunfall von Althaus wiegt schwer.
![](https://taz.de/picture/366536/14/kreuz_b.jpg)
Natürlich lässt sich der Skiunfall des thüringischen CDU-Ministerpräsidenten Dieter Althaus nicht vergleichen mit dem Autounfall, den der damalige CSU-Generalsekretär Otto Wiesheu vor 25 Jahren verursachte. Wiesheu fuhr im Alkoholrausch einen Rentner tot. Althaus stieß am Neujahrstag auf der Skipiste mit einer vierfachen Mutter zusammen, die starb. Die Schuldfrage ist hier ungeklärt - und beschäftigt die Öffentlichkeit, weil sich daraus Fragen nach Schicksal und Verantwortung ergeben.
Die Faktenlage erlaubt es bisher nicht, eine eindeutige Schuld Althaus oder der getöteten Skifahrerin Beata C. zuzuschreiben. Die beiden Pisten münden in eine Kreuzung ein. Althaus kam zwar von rechts. Eine Vorfahrtsregelung rechts vor links wie im Straßenverkehr gibt es auf Österreichs und Deutschlands Pisten jedoch nicht.
Laut dem Foto der Polizei von der Unfallstelle lagen die beiden kollidierten Skifahrer auf einer Stelle oberhalb eines kurzen Fangzauns, ein paar Meter hinein in der Piste von Beata C. Ist Althaus dort hineingefahren, vielleicht versehentlich, dann trifft ihn eine erhebliche Mitschuld an dem Zusammenstoß. Weitere Augenzeugen aber gibt es nicht. Althaus wurde noch nicht zum Unfall befragt, nach Ansicht der Ärzte wird er sich nicht erinnern können.
Wo also beginnt die Tragödie und wo die Verantwortung? Trägt der österreichische Staat oder Skiverband eine Mitverantwortung, weil es angesichts des steigenden Skifahreraufkommens fahrlässig ist, keine Vorfahrtsregeln auf den Pisten zu schaffen? Es gelten nur die vagen Verhaltensregeln des internationalen Skiverbands FIS, nach denen Skifahrer sich "vergewissern" müssen, dass sie ohne Gefahr für sich und andere in eine Piste einfahren können. In Italien gibt es auf den Skipisten bereits eine Rechts-vor-links-Regel.
Keine klaren Vorfahrtsregeln, keine klaren Überholvorschriften, kein Rechtsfahrgebot, keine Helmpflicht - das ist schon bemerkenswert in einem Sport, in dem Skifahrer mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometern die Pisten herunterrauschen.
Die Frage nach seiner persönlichen Schuld dürfte Althaus jedoch nicht mehr loswerden und die CDU in Thüringen im kommenden Landtagswahlkampf belasten. Ist der selbst schwer verletzte Althaus nur Opfer oder auch ein bisschen Täter? In dieser Frage kann sich das Publikum auch gerne mal als Richter aufspielen, was den Reiz der Debatte erhöht.
Autoraser Wiesheu trat damals übrigens als CSU-Generalsekretär zurück, wurde aber später Verkehrsminister in Bayern. Sein Unfall erschien vielen Wählern im Nachhinein dann doch vor allem als persönliche Tragödie. Auf die Sicht der Dinge kommt es an. Nicht nur beim Abfahren.
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