Schuldenschnitt in Griechenland: Verzweifelte Suche nach Einigung
Die Rettung Griechenlands schien ganz nah. Dann aber reiste der Chef des Internationalen Bankenverbands ab, die Verhandlungen gerieten ins Stocken.
BRÜSSEL taz | Eine Woche vor dem nächsten Euro-Sondergipfel spitzt sich die Schuldenkrise wieder zu. Vor allem Griechenland steht auf der Kippe, nachdem der geplante Schuldenschnitt am Wochenende erneut aufgeschoben wurde. Es gibt aber auch Streit über den neuen Euro-Rettungsschirm und über den von Berlin forcierten Fiskalpakt.
In Griechenland ist die Lage besonders verworren. Die Regierung in Athen sucht verzweifelt eine Einigung mit ihren privaten Gläubigern, also Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Sie sollen auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten und die Schuldenlast so um 100 Milliarden Euro verringern. Die Zeit drängt - denn wenn der Deal nicht rechtzeitig zustandekommt, droht Griechenland schon im März eine ungeordnete Staatspleite.
Dabei sah es am Samstag zunächst nach einer Einigung aus. "Elemente eines noch nie dagewesenen freiwilligen Schuldenschnitts werden in die Tat umgesetzt", erklärte ein Sprecher des Internationalen Bankenverbandes IIF. Man stehe vor einem "historischen Deal", hieß es in Athen. Doch dann kam die kalte Dusche: IIF-Chef Charles Dallara reiste überraschend nach Paris ab, seither hängt alles wieder in der Luft.
Offenbar gibt es hinter den Kulissen Streit über die Bedingungen des Schuldenschnitts. Die Privaten fordern für die neuen griechischen Schuldscheine, die sie im Tausch gegen die alten Staatsanleihen erhalten sollen, einen Zins von vier Prozent. Die Regierung in Athen war damit einverstanden, doch dann haben sich der Internationale Währungsfonds und die Bundesregierung eingeschaltet und versucht, den Zins zu drücken.
Andernfalls würde Griechenland nicht genug entlastet, heißt es in Brüssel. Denn je höher die Zinsen, desto geringer der tatsächliche Verzicht der Privaten. Schon jetzt läuft der geplante 50-prozentige Schuldenschnitt nur auf eine Senkung des Schuldenstands auf 152 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung hinaus - von derzeit 161 Prozent. Die Entlastung ist also minimal. Der IWF hat daher sogar schon Zweifel an der gesamten Rettungsstrategie geäußert und ein Umdenken gefordert.
Weiter Streit gibt es auch über den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM. Italien fordert, den Schirm auf eine Billion Euro aufzustocken. Merkel lehnt dies bisher ab. Über den ESM will sie erst im März reden.
Beim EU-Gipfel nächsten Sonntag lautet nun die spannende Frage, ob Italien seine Zustimmung zu Merkels Pakt davon abhängig machen, dass Deutschland mehr für die Eurorettung zahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin