Schuldenschnitt für Griechenland: Noch nicht übern Berg
Schuldenschnitt für Griechenland, und trotzdem ist die Krise nicht vorbei. Ist Griechenland jetzt gerettet? Fragen und Antworten rund um die Krise.
Welche Schulden Griechenlands werden nun gestrichen?
Momentan hat Griechenland Schulden in Höhe von etwa 350 Milliarden Euro. Gläubiger sind bereits jetzt zu einem beträchtlichen Teil die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds, die EU und ihre Mitgliedstaaten. Lediglich noch 206 Milliarden Euro der griechischen Schulden werden von privaten Gläubigern wie Banken, Versicherungen und Hedgefonds gehalten.
Der Schuldenschnitt trifft nur diese privaten Gläubiger. Sie sollen auf 53,5 Prozent ihrer nominellen Forderungen verzichten – das sind 107 Milliarden Euro. Der verbleibende Rest ihrer Forderungen wird in Anleihen zu einem niedrigeren Zins umgewandelt. Diese schlechteren Konditionen bedeuten, dass die privaten Gläubiger faktisch etwa 75 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland aufgeben.
Der Schuldenschnitt sollte eigentlich freiwillig sein, wobei mindestens 90 Prozent der privaten Gläubiger zustimmen mussten, damit die Entlastung für Griechenland ausreicht. Bis Donnerstagabend um 21 Uhr hatten die privaten Gläubiger Zeit, ihr Einverständnis abzugeben. Am Ende waren es jedoch nur 85,8 Prozent, die einen freiwilligen Schuldenschnitt akzeptierten. Deswegen wird der Schuldenschnitt jetzt erzwungen, wie der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos am Freitag bekannt gab.
Wie übt Griechenland Druck auf die privaten Gläubiger aus?
Die griechische Regierung hat ihre Anleihen rückwirkend mit sogenannten Collective Action Clauses (CAC) versehen. Diese Umschuldungsklauseln besagen, dass alle Gläubiger zu einem Schuldenschnitt gezwungen werden können, wenn eine Zweidrittelmehrheit diesem Schritt freiwillig zugestimmt hat.
Allerdings gelten diese Klauseln nur für Anleihen, die nach griechischem Recht begeben wurden. Etwa 15 Prozent der griechischen Schulden unterliegen jedoch internationalem Recht. Dort muss ein Schuldenschnitt für jede Anleihe einzeln vereinbart werden.
Wer profitiert von dem Schuldenschnitt? Oder gibt es gar keine Gewinner?
Das steht noch nicht fest. Aber Hedgefonds haben gezielt griechische Anleihen aufgekauft, die nach internationalem Recht begeben wurden. Die Spekulanten hoffen, dass sie dort den vollen nominalen Wert erhalten. Dies würde einen stattlichen Gewinn bedeuten, weil sie diese Anleihen auf den Finanzmärkten mit deutlichen Abschlägen gekauft haben.
Wie verkraften die Banken den Schuldenschnitt?
Der Schuldenschnitt in Griechenland ist keine Überraschung, sondern hat sich seit Monaten angekündigt. Deswegen haben die meisten Banken ihre Kredite an Griechenland längst ganz oder teilweise abgeschrieben.
Ganz ungeschoren kommt der deutsche Steuerzahler dennoch nicht davon: Denn die Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate hat noch griechische Anleihen in Höhe von mehr als 8 Milliarden Euro in ihren Büchern. Ein besonderes Problem sind die griechischen Banken, die einen großen Teil der griechischen Staatsanleihen halten. Durch den Schuldenschnitt sind sie pleite – und müssen über den europäischen Rettungsfonds rekapitalisiert werden.
Was ist mit den Kreditausfallversicherungen?
Es gibt Derivate – die sogenannten „Credit Default Swaps“ (CDS) –, die wie Kreditausfallversicherungen funktionieren. Dieser CDS-Markt ist völlig intransparent und war eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass sich die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu einer weltweiten Finanzkrise ausgeweitet hat.
Auch einige griechische Anleihen sind mit CDS-Papieren besichert. Wenn Griechenland seine CAC-Klauseln aktiviert und damit die renitenten Gläubiger zur Umschuldung zwingt, dürfte ein „Kreditereignis“ eintreten – und die CDS-Papiere fällig werden.
Ob ein „Kreditereignis“ vorliegt, entscheidet die International Swaps and Derivatives Association. Dieses Gremium traf sich am Freitagnachmittag, um über den griechischen Schuldenschnitt zu beraten. Ein Ergebnis lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor.
Sollten die CDS auf griechische Staatsanleihen fällig werden, dürfte sich der Schaden jedoch in Grenzen halten. Experten gehen davon aus, dass CDS-Papiere in Höhe von nur 2,6 Milliarden Euro ausstehen. Allerdings gibt es keine genauen Daten.
Gab es schon einmal vergleichbare Schuldenschitte von Staaten?
Ein Schuldenschnitt bei de facto bankrotten Staaten ist nicht ungewöhnlich. So mussten Anleger argentinischer Staatspapiere nach der Krise von 2002 auf große Teile ihrer Forderungen verzichten – bis zu 70 Prozent. In Russland verloren Anleger im Jahr 1998 durch die Abwertung des Rubels.
Ist Griechenland jetzt gerettet?
Nein. Denn trotz des Schuldenschnitts bleibt Griechenland überschuldet. So dürfte trotz des Schuldenschnitts die griechische Gesamtverschuldung um gerade mal 4 Prozent sinken. Zudem steckt Griechenland in einer tiefen Rezession, im letzten Quartal des vergangenen Jahres sank die Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent.
Der Schuldenschnitt war allerdings die Voraussetzung für das zweite Griechenland-Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro; die ersten 35 Milliarden Euro haben die Euro-Finanzminister jetzt freigegeben. Aber schon wird über ein drittes Rettungspaket spekuliert, das ab 2015 gebraucht werden könnte. Die Rede ist von dann 50 Milliarden Euro.
Droht eine weitere Gefahr für den Euro?
Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist die Sache klar: „Griechenland ist ein einzigartiger Problemfall.“ Es gebe nicht den „Hauch einer Chance, dass sich das wiederholt“. Andere Länder mit zu hohen Schulden wie Irland, Spanien und Portugal arbeiteten ihre Sanierungsprogramme hingegen eigenständig ab und lösten so selbst schrittweise ihre Probleme.
An den Märkten wird das aber nicht einfach geglaubt. Portugiesische Zehn-Jahres-Anleihen werden derzeit mit etwa 50 Prozent Abschlag gehandelt, im Fall Irland sind es immerhin rund 10 Prozent.
Wie reagierten die Börsen auf den Schuldenschnitt?
Der DAX verbuchte am Freitagnachmittag nur leichte Gewinne; Aktien von Banken notierten nach der Griechenland-Einigung zunächst fester, sanken am Nachmittag aber bereits wieder ins Minus. Allerdings hatte der DAX zu Beginn der Woche deutlich verloren. Am Freitag gab der Kurs des Euro nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3191 (Donnerstag: 1,3242) Dollar fest.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil