piwik no script img

Schuld war die heiße Stadt

Für schwere Unwetter braucht es starke Temperaturunterschiede, sagt der Meteorologe Horst Malberg. Hätte die Gewitterfront am Mittwochabend Berlin wenig später erreicht, hätte es wahrscheinlich keinen Orkan gegeben

taz: Herr Malberg, wie kam es zu dem schweren Unwetter in Berlin?

Horst Malberg: Wir hatten hier extrem warm-feuchte Luft, die aus dem Mittelmeerraum zu uns herantransportiert worden ist. Dazu kam, dass sich vom Atlantik in den letzten Tagen kältere Luft aus dem Raum Island/Grönland in Bewegung gesetzt hatte. Diese Luftmassen gerieten aneinander und es bildete sich eine Kaltfront. An diesen entstehen im Sommer immer Schauer, Windböen und auch Gewitter.

Nun gab es am Mittwochabend aber keine einfachen Gewitter und Schauer, sondern einen ausgewachsenen Orkan. Warum?

Wegen dem Aufeinandertreffen einer intensiven Wetterfront mit einer aufgeheizten Stadt. Wir sprechen hier von einem Wärmeinseleffekt. Großstädte speichern die Hitze wie ein schöner Altberliner Ofen. Während sich die Temperaturen im Umland schon stark abgekühlt hatten, war es in Berlin noch äußerst warm. Dieser große Temperaturgegensatz hat zur Schwere des Unwetters geführt. Wäre die Kaltfront in der Nacht um drei Uhr gekommen, wäre der Sturm viel weniger spektakulär gewesen.

Auf dem Breitscheidplatz soll es sogar eine Windhose gegeben haben.

Ich bezweifle, dass das wirklich eine Windhose gewesen ist. So nennt man einen Minitornado, bei dem eine Drehbewegung des Windes auf einem ganz engen Raum auftritt. Die Windhose ist an eine Wolke gekoppelt, muss mit dieser mitziehen und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Ich will mich nicht so sehr festlegen, aber am Mittwochabend gab es ein Orkanwindfeld mit Böen in der ganzen Stadt.

Sie haben gerade ein Forschungsprojekt über Klimaerwärmung im Mittelmeerraum abgeschlossen. Ist das Unwetter über Berlin eine Folge von Klimaveränderungen?

Mit Sicherheit war das am Mittwochabend Wetter und kein Klimaphänomen. Wir haben in jedem Sommer diese Erscheinungen, nur nicht in der Heftigkeit. Würden sich Wetterereignisse häufen, müsste man genauer nachdenken. Denn dann hat sich klimatologisch etwas verändert.

Aber könnte der viel zitierte Treibhauseffekt für solche Stürme sorgen?

Das ist eher unwahrscheinlich. Nach dieser Theorie erwärmen sich ja die Pole am stärksten. Was bedeutet: Die Temperaturen auf der Erde gleichen sich mehr oder weniger an. Für große Unwetter braucht es aber starke Temperaturunterschiede.

Kann man solche schweren Unwetter genau vorhersehen?

Ja, so ziemlich. Das war für Mittwoch auch gut vorausgesagt. Nur die Intensität war vielleicht nicht ganz richtig prognostiziert. Obwohl: Schwerer Sturm bedeutet auch schon Windstärke zehn.

Wie hoch ist die Gefahr, dass so etwas demnächst wieder passiert?

Wenn es solche Extrembedingungen wieder gibt, könnte natürlich noch mal so etwas passieren. Wird aber nur eine der Bedingungen nicht erfüllt, ist die Chance weit geringer.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ

Horst Maberg ist Direktor des Institutes für Meteorologie an der Freien Universität Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen