: Schüler experimentieren mit E.Colibakterien
■ Durch Bayern rollt ein von Industrie und Landesregierung gesponsertes Gentech-Labor
Eichstätt (taz) – Neue Wege zur Wissensvermittlung hat die Bayerische Staatsregierung eingeschlagen. Seit Beginn des Schuljahrs 1997/98 schickt es ein sogenanntes „Bio-Tech-Mobil“, beworben als „Europas erstes rollendes Genlabor“, quer durch Bayern. Der 30 Tonnen schwere Sattelschlepper mit acht Gruppenexperimentierplätzen an Bord wirbt dabei vor allem an Gymnasien und Fachoberschulen für die Segnungen der Gentechnologie.
In weißen Kitteln, mit Schutzbrille und Handschuhen dürfen die Schülerinnen und Schüler der Grund- und Leistungskurse Chemie und Biologie einen Vormittag lang an Bord des Bio-Tech-Mobils mit E.Colibakterien im Labor der Sicherheitsstufe eins experimentieren. Vorher gibt es eine „vorsichtshalber“ durchgeführte Sicherheitsbelehrung, die Schwangeren die Teilnahme untersagt.
Diese Gemeinschaftsaktion der Bayerischen Staatsregierung und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie kostet insgesamt über 1,25 Millionen Mark. Zehn Prozent der Gesamtkosten finanziert dabei die Chemie- und Gentech-Industrie. Mit unter den Sponsoren sind Firmen wie Novartis, Serono, Monsanto, Hoechst und Wacker Chemie.
Von 400 angeschriebenen Fachoberschulen und Gymnasien hätten sich 300 für die Kampagne interessiert, berichtet die Assistentin der Projektleitung, Susanne Hopf. Für den Tourenplan ausgewählt wurden dann gut 80 Schulen, deren Pausenhöfe von dem schweren Sattelschlepper gut angesteuert werden können und außerdem eine möglichst flächendeckende Verteilung des Bildungsangebots auf ganz Bayern gewährleisten.
Da auch das „akute Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit“ befriedigt werden will, bieten die Veranstalter pro Standort immer auch einen Abendvortrag und einen „Nachmittag der offenen Tür“ an, bei dem BürgerInnen das mobile Labor besichtigen und Fragen an die beiden das Projekt durchführenden Diplombiologen des Genzentrums der Uni München stellen können.
Seit ein paar Tagen fährt ein VW-Bus älterer Bauart hinter dem Bio-Tech-Mobil her. Die Jugendgruppe des Bund Naturschutz (JBN) Oberbayern will mit der Entsendung des „Bio-Frech-Mobils“ auf die Risiken der Gentechnik hinweisen. In einer Presseerklärung wirft die JBN dem „federführenden Kultusministerium einseitige und tendenziöse Information pro Gentechnik vor“. Gefahren und Risiken seien verharmlost, ethische Bedenken kaum erwähnt.
Wie wichtig den Schulleitern in Ingolstadt und Eichstätt – den ersten Stationen, die vom Bio-Frech- Mobil begleitet wurden – eine ausgewogene Information ist, zeigt sich unter anderem daran, daß sie der Bund Naturschutz Jugend nicht erlaubten, das Bio-Frech- Mobil neben dem Sattelschlepper im Schulhof abzustellen. Schließlich handele es sich bei der Einladung des Bio-Tech-Mobils um eine „schulische Veranstaltung“. Dagegen seien Demonstrationen nichts für Schulhöfe.
In einem Bericht an den Bayerischen Landtag zeigt sich Kultusminister Zehetmair äußerst zufrieden. So sei nicht nur die Motivation der SchülerInnen „als hervorragend zu bezeichnen“. Es gäbe sogar schon Anfragen aus Hessen, Baden-Württemberg und dem Ausland, das Bio-Tech-Mobil mit seiner Konzeption unverändert zu übernehmen. Manuela Knipp-Dengler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen