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■ Schröders gesammelte BriefeEin Platon der Globalisierung

Sage keiner, Briefeschreiben sei altmodisch. Es ist modern! Es ist aufklärerisch! Es ist die neue Mitte! Es verbindet die Menschen. Nichts ist wichtiger in einer Zeit, in der nicht einmal mehr der konjunkturelle Aufschwung uns allen gehört. Face- to-face-Kommunikation als eine Art New Deal, Sie verstehen?

Man muß ja nicht gleich so dick auftragen wie François Mitterrand, der im Wahlkampf 1988 einen „Brief an alle Franzosen“ schrieb. Gerhard Schröder fängt klein an; er ist ja auch noch kein Präsident. Er hat nicht an alle Deutschen geschrieben, sondern nur an 26. An Prominente, Halbprominente und gar nicht Prominente: an Joschka Fischer und den DVU-Wähler Steffen Schneider, an Richard von Weizsäcker und den Mutlangen-Protestler Klaus Vack, an den Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt und den Computer-Manager Jörg Menno Harms, an Günter Grass und Madeleine Jakits, Chefredakteurin des Feinschmecker-Magazins. „Sehr geehrte Madeleine Jakits“, schreibt Schröder, „in der Toskana kenne ich mich nicht besonders gut aus ... Aber ich bin sehr gern in Frankreich, und es ist bekannt, daß ich Grafiken sammle und einen anständigen Bourdeaux oder einen erstklassigen Barolo schätze.“

Schröder schreibt in den Briefen über sich, sein ganz persönliches Wahlprogramm und über unser Land, das, wie es der Titel des Buches nahelegt, besser werden muß. Kein Parteichinesisch, kein Broschürenflair – Schröder versucht, ganz locker zu schreiben. Er hat sich dafür mit Reinhard Hesse einen Journalisten als Mitautoren gesucht, der zuletzt als Redakteur bei der Woche gelernt hat, wie man Wahlkampf für Schröder macht. „Lieber Joschka Fischer“, klingt es dann ganz locker, „wie heißt es doch so schön bei Wilhelm Busch: ,Also lautet der Beschluß: daß der Mensch was lernen muß.‘ Dafür stehst Du ja nun geradezu beispielhaft ... Ob ich als Sozialdemokrat Dir allerdings vorbehaltlos folgen mag bei der ,Neubewertung von Rolle und Funktion des Unternehmers‘, dessen ,überwiegend besitzegoistische Motive‘ Du nicht nur für ,völlig legitim‘ hältst, sondern für ,ökonomisch schlicht unverzichtbar und deshalb auch von einer allgemeinwohlorientierten Wirkung‘ ...? Ts, ts, ts ..., mein lieber Joschka, dabei ist Dir wohl selbst nicht ganz geheuer ...“

Gerhard Schröder möchte sich mit seinem Buch „Und weil wir unser Land verbessern ...“, das kommende Woche bei Hoffmann und Campe erscheint, als ein völlig neuer Typ von Bundeskanzler präsentieren, der mit der Herrscherattitüde Helmut Kohls nichts am Hut hat. Schröder möchte die Gesellschaft in eine Diskussion verwickeln, bei der er sie von seinen Konzepten überzeugen will. Schröder möchte den Deutschen ein Gesprächskanzler sein. Ein Platon der Globalisierung.

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