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■ Schröders Law-and-order-Kurs macht die Grünen ratlosGrünes Gestammel

Die Rechte holt aus, zielt und trifft. Der Schlag sitzt. Getroffen gehen die Grünen in die Knie. Der sozialdemokratische Kanzlerkandidataspirant Gerhard Schröder und vor ihm Hamburgs wahlkämpfender Bürgermeister Henning Voscherau kennen die grünen Schwachstellen und langen gnadenlos hin: Innere Sicherheit. Schärfere Gesetze, schnellere Abschiebung, mehr Recht und Ordnung fordern sie; einmal mit dem New Yorker Besen durch die Bundesrepublik fegen. „Populismus“, „Stammtisch“ und „Wahlkampfgetöse“, jaulen die Grünen auf. Und daß eine Repressionspolitik mit rassistischen Untertönen mit ihnen nicht zu machen sei. Tenor: All das wollen wir als Bürgerrechtspartei und Lobby für Minderheiten nicht. Doch was wollen die Grünen?

Ihre Analyse ist richtig. Die SPD fischt am rechten Rand und will der CDU das Law-and-order-Feld nicht kampflos überlassen. Noch nie gab es so viele Tony Blairs („Law and order is a Labour issue“) wie heute. Doch die Grünen haben dem Kriminalitätsgeschrei nichts als alte Lösungsparolen entgegenzusetzen und lassen sich die Themen zu allem Überfluß von den SPD-Trendsettern diktieren. Mit den Erfolgen des New Yorker Null-Toleranz-Konzepts konfrontiert, verharren die grünen Politstrategen in wütendem Gestammel. Die Armut und die Arbeitslosigkeit sei Schuld an der Kriminalität, die Ausgrenzung, der Mangel an Perspektive und die zunehmende Anonymisierung in den Großstädten. Alles wahr, schön und gut. Nur wollen die WählerInnen, die in Hamburg im September und bundesweit im nächsten Jahr zum Stimmzettel greifen, konkret wissen, wie die grünen Alternativen zur New Yorker „Broken-Window“- Theorie [Verwahrlosung führt zu Kriminalität; Anm. d. Red.] aussehen. Soll eine offene Drogenszene geduldet werden? Will man kriminelle Ausländer abschieben. Wenn ja, welche und warum?

Mit Kritik sind Trittin, Sager & Company zwar schnell dabei. Auch teilen sie die eine oder andere Sorge, etwa bei Gewalt gegen Frauen oder Minderheiten. Aber die besseren Argumente und Lösungen fehlen. Mehr Polizeipräsenz und härtere Gesetze lassen nicht wenige Grüne aufquietschen. Erinnerungen aus Hausbesetzerzeiten und Protesten gegen Castor- Transporte werden ebenso wach wie das berechtigte Mißtrauen gegenüber dem Gewaltmonopol des Staates. Die sozialdemokratische Offensive weist auf einen weißen Fleck im grünen Programm. Ein eigenes Handlungskonzept ist nicht einmal im Ansatz diskutiert. Das rächt sich jetzt. Silke Mertins

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