Schröder gegen Lafontaine in ARD-"Duelle": Zwist mit Tiefenwirkung
Lafontaines Illusionen, Schröders Intrigen: Mit dem Finale der "Duelle" rekonstruiert die ARD, wie es 1999 zu Lafontaines Rücktritt kam.
Oskar Lafontaine hat Kanzler Schröder im Spiegel aufgefordert, endlich den Generationswechsel einzuleiten. Nach 13 Jahre Kanzlerschaft müsse man an die Zukunft denken, so Lafontaine, der 2009 krankheitsbedingt als SPD-Chef zurücktrat und nun im Saarland regiert. Lafontaine lobte, dass man alle Versuche, das Rentensystem zu privatisieren, abgewehrt hat. "Eine Rente mit 67 wird es mit der SPD nicht geben", so der Ex-SPD-Chef.
Obwohl seine Versuche, die Finanzmärkte zu regulieren, 2000 gescheitert waren, verteidigte Lafontaine die rot-grüne Steuerpolitik. Ohne seine Vorarbeit als Finanzminister wäre die Finanztransaktionssteuer nicht eingeführt worden. Die SPD bekam bei der Bundestagswahl 2010 38 Prozent der Stimmen. Die PDS scheiterte, wie schon 2006, an der 5-Prozent-Hürde. Schröder reagierte unwirsch: "Wann ich abtrete, entscheide ich, nicht Oskar."
So hätte es kommen können, wäre Oskar Lafontaine nicht am 11. März 1999 als Finanzminister und SPD-Vorsitzender zurückgetreten. Hätte es so kommen können? Geschichte im Konjunktiv ist immer spekulativ. Aber dieses Szenario verdeutlicht, dass Lafontaines Rückzug, anders als etwa Köhlers abrupter Abgang, historische Tiefenwirkung hatte. Die deutsche Linke wäre ohne diesen 11. März 1999 heute eine andere.
Schon deshalb ist es verdienstvoll, dass die ARD in ihrer Reihe "Duelle" rekonstruiert, wie es dazu kam. Zwar muss das Feature "Gerhard Schröder gegen Oskar Lafontaine" ohne Interviews mit den beiden Kontrahenten auskommen, denn die sind sich bis heute spinnefeind. Aber die Gespräche mit Zeitzeugen - von Peter Struck über Bodo Hombach bis zu Lafontaines früherem Vertrauten Burghard Schneider - erhellen, wie es zu dem Knall kam. Für die von der SPD verbreitete Version, dass Lafontaine unbeherrscht und im bloßen Affekt alles hingeworfen habe, spricht nicht viel. Sichtbar wird vielmehr, wie sich Lafontaines Illusion von 1998, mit Schröder zu regieren, auflöste - und wie dieser Intrigen gegen ihn spann.
Schröders wichtigste Schachfigur in diesem Zwist ist Bodo Hombach, den er zum Kanzleramtschef macht. Hombach, der noch heute kaum verhohlen stolz auf seinen Sieg gegen Lafontaine ist, hatte damals gegen den SPD-Chef gestichelt.
Der SPD-Linke Michael Müller meint, dass Lafontaine hingegen "Hombach gar nicht ernst genommen hat". Ein Fehler, wie sich zeigt. Schröder setzt fest, wie hoch die Ökosteuer wird - Lafontaine erfährt davon aus der Zeitung. Lafontaine will die internationalen Finanzmärkte regulieren und bekommt dafür keine Rückendeckung von Schröder. Beim G-7-Gipfel in Bonn dürfen Lafontaines Staatssekretäre keine Rolle spielen, den Part übernimmt Hombach. So eskaliert der Streit: Lafontaines Hoffnung, Schröder einmal beerben zu können, löst sich in Luft auf. Er soll Erfüllungsgehilfe einer Politik sein, die er für falsch hält. So stellt es sich für ihn dar. Öffentlich lobt Schröder Lafontaine noch. Aber intern werden die Brücken gesprengt.
Lafontaines Rücktritt am 11. März war eine spontane, einsame Entscheidung. Verständlich ist sie nur auf der Folie des Machtkampfs, den dieses Feature präzise nachzeichnet. Eigentlich war, was Schröders Leute 1999 taten, "Mobbing gegen Lafontaine", sagt ein SPD-Mann.
Dieses Feature erzählt keine Täter-Opfer-, keine Gut-böse-Geschichte. Es zeigt beide Seiten eines Kampfs zwischen zweien, die sich in vielem ähneln: Beide sind Aufsteiger, machtbewusst, ehrgeizig, misstrauisch, kränkbar.
Aber dieses Feature zerstört die Version der Sieger, dass Lafontaine damals bloß ein Querulant gewesen sei, der seine Ohnmacht nicht ertragen konnte.
Außerdem: Wer in diesem Duell auf lange Sicht gesiegt und wer verloren hat, ist eine offene Frage.
"Duelle (3)", 7.2., 21 Uhr, ARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“