Schriftstellerinnen und ihre Nebenjobs: „Call Center und Flyer verteilen“
Wie viel verdienen Schriftsteller:innen eigentlich? Können sie von ihren Büchern leben? Drei Schriftsteller:innen über ihre Brotjobs.
![Schriftstellerin Stefanie Sargnagel in Jacke unter Baum mit grünen Blättern Schriftstellerin Stefanie Sargnagel in Jacke unter Baum mit grünen Blättern](https://taz.de/picture/5442230/14/sargnagel-stefanie-1.jpeg)
Stefanie Sargnagel:
„Alle Jobs, die ich hatte, fand ich spannend. Oft hab ich Promotion gemacht. Da musste ich zum Beispiel als Zahnpasta verkleidet Selfies mit Student:innen vor der Uni machen. Mir hat das Spaß gemacht. „Is’ dir das nicht peinlich?“, fragten einige. Ich dachte: Nein, du bist peinlich, wenn du solche Fragen stellst.
Generell fand ich alle Tätigkeiten gut, bei denen man etwas kostenlos verteilen konnte, weil die Leute sich dann so gefreut haben. Unangenehm war alles, bei dem man ständig abgelehnt wird, zum Beispiel Callcenter im Outbound oder Flyer verteilen. Lange habe ich auch Bierdosen aus dem Rucksack verkauft, das hat damals fast niemand in Wien gemacht und war sehr lukrativ.
Irgendwann kam aber die Konkurrenz und dann musste man um die Biertrinker buhlen, das wurde mir dann zu unangenehm. Medizinische Testungen habe ich auch mal durchführen lassen, das war sehr gut bezahlt. 200 Euro, um sich ein neues Medikament ins Auge tropfen zu lassen, dazu gab’s ein kostenloses Krankenhausmenü.
![](https://taz.de/picture/5438254/14/wochenendkasten-1.png)
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Das waren alles interessante Erfahrungen und Begegnungen, inzwischen lebe ich zunehmend in einer Kulturblase, und das wird dann inhaltlich in seiner Selbstreferenz auch langweilig. Über das prekäre Künstlerleben zu jammern, empfinde ich in vielen Fällen als Luxusproblem. Niemand muss Künstler:in werden.
Ich verdiene mehr als fast alle meine Freund:innen, obwohl ich sicher nicht der größte Player auf dem Literaturmarkt bin, ich werde ja nicht mal übersetzt. Jede:r Autor:in, die bekannter ist als ich und mehr Bücher verkauft, ist einfach reich, das braucht man gar nicht runterspielen.“
Stefanie Sargnagel, 36, lebt als Schriftstellerin und Künstlerin in Wien.
Mithu Sanyal:
„Ich habe lange gedacht, ich würde nie vom Schreiben leben können. Da hat mich – wie so viele Schriftsteller*innen – der WDR gerettet, für den ich Radiosendungen gemacht habe. Zuerst habe ich daneben ausschließlich Sachbücher geschrieben. Denn die Literaturverlage haben mir zweieinhalb Jahrzehnte lang gesagt: Das interessiert doch niemanden, worüber Sie schreiben.
Ich habe viele verschiedene Jobs gemacht, die meisten irgendwo im Kulturbereich. Während des Studiums habe ich Aktmodell gestanden. In den Zeichenkursen waren nur Frauen und es gab wenig Geld für lange still stehen. Die Fotokurse waren super bezahlt und nur von Männern mit riesigen Kameras frequentiert.
Ansonsten habe ich als Statistin für Filmproduktionen gearbeitet und ein Jahr lang zusammen mit Freund*innen ein Kino in Düsseldorf geschmissen.
Natürlich habe ich auch gekellnert. Da habe ich viel gelernt, auch fürs Schreiben. Viele Leute kommen rein und erzählen dir ihre Geschichte. Sie legen als Erstes das Trinkgeld hin, bevor du überhaupt irgendetwas gemacht hast, dann erzählen sie ihre Story. Da bist du dann gefangen. Aber ich fand das immer total spannend.“
Mithu Sanyal, 50, lebt als Schriftstellerin und Journalistin in Düsseldorf.
Anke Stelling:
„Die blödesten Brotjobs sind die, die so tun, als wären sie keine. Die zu nah an Kunstprojekten dran sind: von mir für solche gehalten, von andern als welche behauptet. Einmal hab ich für die DBmobill ein sogenanntes literarisches Fundstück schreiben sollen, das dann aber zu literarisch geriet und deshalb nicht gedruckt wurde.
Das war doof für mich: Der Text war aus Versehen Teil meines Werks, gehörte aber jetzt der Bahn. Dann hab ich mal ein Drehbuch für einen Schweizer Millionär geschrieben, also ihm selbst auf den Leib, er wollte gerne eine Hauptrolle.
Natürlich war das vollkommen crazy, reiner Brotjob, aber dann hat mein Umfeld die Geschichte dieses Brotjobs so geliebt (weshalb ich sie hier natürlich auch wieder erzähle), dass ich dachte, hey, wer weiß.
Könnte vielleicht doch was werden, dass aus so einem Auftrag trotzdem Kunst wird, wenn doch alle die Vorstellung so schön finden. Das Königsporträt bildfüllend, aber eigentlich geht es um den kleinen verrückten Hund in der linken Ecke, und der König merkt das gar nicht, und das Ganze ist trotzdem mein Werk. Aber ich merkte, das klappt nicht. Kunst zu Geld zu machen, ja, manchmal. Aber Kunst für Geld zu machen? Eher nicht.“
Anke Stelling, 50, lebt als Schriftstellerin in Berlin.
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