Queerfeministisch ins neue Jahr: Die Showmasterin der Herzen orakelt

Das Neujahrskonzert in der Berliner Volksbühne ist ein Klassiker. Diesmal hatten sich Christiane Rösinger & Co. musikalische Gäs­t:in­nen eingeladen.

Drei Frauenköpfe in Großaufnahme: Die Künstlerinnen Stefanie Sargnagel, Denice Bourbon und Christiane Rösinger traten Neujahr in einem Konzert in der Berliner Volksbühne auf

Schon jetzt Legenden: Stefanie Sargnagel, Denice Bourbon und Christiane Rösinger (von l.n.r.) Foto: Legends of Entertainment

Da kann der Vorabend noch so anstrengend gewesen sein. Wie alle Jahre wieder erwies es sich am vergangenen Sonntag als schöne Tradition, sich beim Neujahrskonzert in der Berliner Volksbühne, müde in den Stuhlreihen hängend, bespaßen zu lassen. Wobei die „Legends of Entertainment“, die das Theater zu diesem Anlass bespielten, diesmal nicht nur Musik im Angebot hatten: neben der Berliner Musikerin Christiane Rösinger gehört auch die Wiener Autorin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel und die Stand-Up-Comedian Denice Bourbon zu den „Legends“. Letztere ist Schwedin mit finnischen Wurzeln, lebt aber ebenfalls in Wien.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Zum Auftakt stellen sich die drei Gastgeberinnen als die jeweils andere vor. Sargnagel etwa gibt die Rösinger, nennt sich gönnerhaft „feministische Pop-Ikone“ und fragt sich, wie der Abend denn wird, mit diesem Legenden-Nachwuchs. Auch Gala-Feeling soll es an dem Abend geben, wofür man Christiane Rösinger über die Jahre ja zu schätzen gelernt hat: Als Showmasterin der Herzen und Gastgeberin der „Flittchenbar“ ließ sie immer wieder junge Talente ihr Publikum finden. Auch in der Volksbühne war sie schon des Öfteren als Conférencieuse zu Gast, zuletzt am letztjährigen Neujahrsabend – damals wagte sie den Blick in die Kristallkugel.

Diesmal gab es keine Prognosen, was da kommt. Vielleicht ist die Welt einfach gerade zu unübersichtlich. Stattdessen war das Publikum gehalten, die Darbietungen als Orakel fürs eigene Leben zu deuten. Etwa den verwunschenen Auftritt von Hans Unstern mit Harfe, der sich – so wurde zumindest leise angedeutet – im kommenden Jahr verpuppen und als ein Anderer wieder schlüpfen könnte. Oder dem Dragduo Strawberry Kaeyk.

Themen sind nicht neu, aber gut gealtert

Zum Auftakt erzählt Bourbon erst einmal, wie es sie vor 20 Jahren nach Wien verschlug – was seinerzeit offenbar erklärungsbedürfig war. Die Liebe galt als Begründung nicht; schließlich galt ihre Liebe einer Frau. Leider bringt Bourbon das eher nur mittelunterhaltsam auf die Bühne. Doch der Abend hält Steigerungspotenzial bereit, es wird noch besser.

Manches hat man schon mal gehört, was aber kaum stört. In diesen Zeiten freut man sich über Kontinuität. An einem verkaterten Neujahrsabend erst recht. Rösingers Themen sind nicht neu, aber gut gealtert. Ihre Skepsis gegenüber dem Lebensmodell „Traute Zweisamkeit“ etwa, der sie schon einmal ein Buch gewidmet hat.

Zur Pause gibt’s dann von ihr, ganz orakelig, den Tipp, kritisch auf den Sitznachbarn zu gucken und ihn oder sie gegebenenfalls umgehend aus der Lebensgemeinschaft zu entlassen – vielleicht sogar schon beim Anstehen fürs Pausengetränk. Ein Gassenhauer aus vergangenen Lassie Singers-Zeiten mit dem eingängigen Refrain „Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch“ wird recycelt.

Ist noch Bohème oder schon die Unterschicht?

Rösinger hatte Klassenthemen bereits auf dem Schirm, als noch niemand über Geld reden wollte. In den Subkulturblasen ebenso wie im Rest der Gesellschaft. „Ist das noch Bohème oder schon die Unterschicht?“, fragte sie als selbst oft prekäre Kulturarbeiterin schon im Song „Wer wird Millionär?“, der heute fast prophetisch wirkt.

Sargnagel widmet sich unterhaltsam den Untiefen, die sich daraus ergeben, queerfeministisch unterwegs zu sein, aber leider eben doch Männer zu begehren. Und zudem unerfahren in der neumodischen Dating-Kultur zu sein. Früher sei’s in Wien ja anders gelaufen. „Man sauft sich ins Blackout und mit der Person, mit der man am nächsten Morgen aufwacht, ist man dann zusammen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.