Schriftmetzen und Textbauleute

■ Gepriesenes Bremer Grafik-Design: Gespräch mit Prof. Jung & Cons. über dreieckige Bücher und die Schönheit des Gebräuchlichen

Bremer StudentInnen für Grafik- Design machen Plakate, Broschüren und Bücher, die neuerdings bei bundesweiten Wettbewerben gerne preisgekrönt werden (Rudolf-Brandes-Preis für das beste Plakat, mehrere Auszeichnungen beim Wettbewerb „Typographie in Germany“ usw.). Die taz sprach mit einer keineswegs repräsentativen Auswahl samt Prof. Eckhard Jung.

taz: Aus eurer Werkstatt kommt ja auch die wunderliche Plakatserie „Theater in Bremen“. Ist Typographie, was man nicht lesen kann?

Eckhard Jung: Ganz im Gegenteil.

Ich zerschneide mir da beim Lesen immer die Augen an den scharfen Kontrasten.

EJ: Nein, Typographie, oder besser: visuelle Gestaltung, ist dazu da, dem Geschriebenen in den Kopf zu verhelfen. Unser Plakat hatte wenigstens eine gewaltige Fernwirkung, aber jetzt haben wir das korrigiert, die neuen gelben haben mildere Kontraste.

Macht ihr Gewöhnliches auch?

EJ: Aber ja. Gebrauchsanweisungen, Broschüren, liebend gern Formulare, da kann man vorher und nachher schön ver

gleichen. Oder das Faltblatt mit einem schlichten HfK-Lageplan von Maya De Silva hier. Da waren unsere ausgewachsenen Künstler ganz weg: endlich ein vernünftiger Wegweiser, und schön.

Manchmal stolpert aber doch

Victor Malsy, Anke Jaaks, Maya De Silva Georg von Bomhard, Eckhard Jung (von li)Foto: Jörg Oberheide

der Gebrauchswert über die Idee. Euer berühmtes dreieckiges Picasso-Buch kann man nicht recht ins Regal stellen.

Victor Malsy, Designer: Aus einem Eichenbücherschrank, wo Picasso sich auch kaum wohl fühlen dürfte, da fällt es vielleicht mit

die Illustration

WASTY PO

GRA PHIEKANN

Recht heraus. Ich frag' mich aber, warum alle Welt auf dem Dreieck rumreitet, während den Inhalt anscheinend niemand zur Kenntnis nimmt.

Vielleicht seid ihr selber dran schuld? Es muß ja die Form den Inhalt nicht gleich vernichten.

Hier das

gruppenbild

der fünf Leute

EJ: Vielleicht hast du recht. Solche Kollisionen passieren schon mal. Aber an Hochschulen soll man was ausprobieren und nicht die Nummer Sicher schieben. Die visuelle Gestaltung kennt eigentlich wenig Regeln und wird doch immer wichtiger. Wir denken ja mehr und mehr in Bildern und nicht unbedingt in der Linearität der Buchstaben. Da kann man mit Präsentation sehr viel machen, einen straffen Blocksatz oder den lockeren Flattersatz, oder ich typografiere Zukunft in altertümlicher Fraktur, das ist wie ein Kommentar zum Wort.

Und wenn die Schrift selber bloß noch Bild ist? In eueren zwei schönen „Artemus“-Zeitungen gibt es auch Seiten, wo Texte über Bilder geworfen sind wie eine Lettern-Garnitur aus der Streubüchse.

Anke Jaaks, Studentin: Das gibt es, daß sich die Gestaltung vom Text löst. Ich würde das nicht tun, ich würde keinen Text so weit verfremden, daß man überrascht ist, wenn man ihn dann liest.

EJ: Mich wundert aber, daß selbst ihr fortschrittlichen Kulturleute der Gestaltung bloß eine Dienstbotenrolle übriglaßt. Bei mir lernen die Studenten, daß man nicht buckeln darf. Radikales De

sign beinhaltet, daß man die Wünsche der Nachfrager auch mal in Frage stellt.

VM: Das ist so wie bei euch verbalen Gestaltern. Da sind die Fakten auch oft zu deftig verarbeitet.

Bestimmt! Neues Thema: kann man mit verschiedenen Schrifttypen spezielle feste Wirkungen erzielen? Gibt es eine, sagen wir mal: Funktionalharmonik der Schrift?

VM: Schon in etwa. Das hängt von der Entstehungszeit der Schrift ab und von deren gewohnheitsmäßiger Belegung im Lauf der Zeit. Damit kann man arbeiten.

So wie es die eine und wahre Coca-Cola-Schrift gibt.

EJ: Es lassen sich aber kaum Regeln ableiten, schon gar nicht für unsere Arbeit, die doch eher aus umfassenden Inszenierungen besteht. Wir nehmen zur Kenntnis, was die Heroen der Gestaltung vorgemacht haben.

A propos. Hier ist die Bremer taz von heute.

EJ: Naja, der Kopf...

Au ja! Der Kopf.

VM: So breiig seid ihr doch gar nicht.

EJ: Im Ernst, sieht bißchen nach McDonalds aus.

VM: Und der Schatten.

EJ: Das meinen Laiengestalter oft, daß eine Schrift was Aufsehenerregendes kriegt, wenn man ihr einen Schatten gibt.

Und die Überschriften? Sind ein bißchen hochgestakst, die Lettern, nicht?

EJ: Tja, die schmale Futura, da paßt eben mehr rein. Die breitere auf der Kulturseite find' ich gut.

VM: Aber eure Jalousienbalken! Das ist Firlefanz und nicht leicht lesbar. Unterstreichen oder Negativdruck wär' besser.

Georg von Bomhard, Student: Ich hab' Probleme mit dem Blocksatz in schmalen Spalten. Wenn man alles an die Ränder zieht, hat man die Löcher eben in der Mitte. Und am Rand lauter Trennungen.

EJ: Ich sag' immer: Sprache ist nicht rechteckig. Überhaupt, es gibt endlos viele Gestaltungsmittel. Man kann journalistische Formen, z.B. Kommentare usw., auch mit kleinen Leerräumen kennzeichnen, mit Auskragungen und so. Wir haben mit dem Fotosatz jetzt alle Möglichkeiten, aber die Zeitungen sind noch immer fast so wie zu Gutenbergs Zeiten.

Womöglich würdet ihr auch die taz gern mal umgestalten?

EJ: Das könnte ich mir schon vorstellen. Aber wenn, dann eben nicht nur mal ein neuer Kopf, sondern radikal alles. Das ist eine Warnung. Fragen: Manfred Dworschak