Schreibtischarbeit im Netz: Microsoft stellt Office online
Die Zukunft der Büroarbeit liegt angeblich im Internet und soll demnächst nurnoch im Browser erledigt werden. Microsoft sattelt jetzt mit seinem neuen Büropaket vom PC ins Internet um.
Der Softwarekonzern Microsoft hat am Montag in New York mit einer großen Show seine neue Strategie für ein künftiges Büropaket vorgestellt, das nicht mehr auf dem PC, sondern im Internet läuft. Firmenchef Bill Gates ließ sich von Stars wie Jeremy Piven (US-Serienstar aus "Entourage") unterstützen und zeigte, wie die Technologie namens "Office Live Workspace" funktionieren soll. Sie steht in einer Vorabversion für ausgewählte US-Unternehmen zunächst kostenlos im Web zur Verfügung und kann nach einer Registrierung getestet werden. Mit der Software, die direkt im Browser läuft, lassen sich E-Mails und Dokumente online bearbeiten und ablegen - das Abspeichern auf der Festplatte oder einem Firmenserver wird überflüssig.
Die Technologie, die von Microsoft im zweiten Halbjahr 2008 auch für normale Endanwender zur Verfügung stehen soll, wird gerne auch "Cloud Computing" genannt: Das Internet stellt dabei eine "Wolke" (Cloud) dar, in die Anwendungen, die früher auf Desktop-PCs liefen, ausgelagert werden. Der Zugriff wird über einen modernen Browser und eine schnelle Online-Anbindung hergestellt.
Microsoft ist bei weitem nicht der erste Anbieter, der sich im Bereich der Online-Büropakete engagiert. Google bietet seit längerem sein "Docs"-Paket an, das werbefinanziert Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationslösung vereint - will man es professionell im Team einsetzen, wird ein geringer Obolus fällig. Die unabhängigen Anbieter Zoho und ThinkFree versuchen es ebenfalls mit einer Kombination aus Kostenlos-Service und Premium-Dienst - bei Zoho kann man inzwischen sogar die neuesten Office 2007-Formate lesen und schreiben.
Wie ein Leben im Online-Büro aussehen könnte, zeigen die Mitarbeiter bei Google: Viele von ihnen halten ihre gesamten beruflichen Daten in Google Docs, der E-Mail-Lösung Google Mail und dem hauseigenen Multimedia-Speicherdienst Picasa vor. Der große Vorteil: Alle Informationen sind von jedem Rechner aus erreichbar, selbst bei einem Festplattencrash liegen die Informationen noch sicher auf Googles Servern. Der Nachteil: Ohne Internet-Zugang geht nichts mehr, offline sind die Daten nicht verfügbar. (An einer Lösung mit einem Zwischenspeicher arbeitet das Unternehmen allerdings.)
Während Google seine Office-Aktivitäten derzeit trotz aller Angriffsgesten in Richtung Microsoft vor allem als Zubrot und Investition in die Zukunft sieht, mit der man die Konkurrenz etwas necken kann, geht es bei Microsoft ums Ganze und um das Kerngeschäft: Wandern Büroanwendungen vom Desktop-Rechner tatsächlich ins Netz, könnten massive Umsätze bei den Software-Lizenzen wegbrechen. Im letzten Quartal 2006 schrieb der Softwareriese mit seiner Office-Abteilung einen Umsatz von 3,8 Milliarden Dollar - bei einem Reingewinn von unglaublichen 2,17 Milliarden. Im Vergleichszeitraum 2007 war der Umsatz sogar auf 4,8 Milliarden Dollar gestiegen. Selbst die hochprofitable Betriebssystemabteilung mit Windows kann da nicht mithalten.
Analysten meinen, dass auch die geplante (feindliche) Übernahme des Portalriesen Yahoo mit Microsofts neuer Strategie im Office-Bereich zu tun haben könnte: Das kalifornische Unternehmen beschäftigt diverse fähige Entwickler, die auf Web-Anwendungen spezialisiert sind, die Microsoft in sein Portfolio aufnehmen könnte. Verlorene Einnahmen aus dem Office-Verkauf könnten dann beispielsweise durch Online-Werbung ausgeglichen werden, wobei dieses Geschäft zunächst als weniger einträglich gilt. Lukrativer wären Abogebühren, die Firmen dann pro Mitarbeiter und Monat zu zahlen hätten.
Allerdings kann noch niemand sagen, ob der Trend zur "Cloud" wirklich anhält. Insbesondere Großkonzerne, bei Microsoft das Brot-und-Butter-Geschäft in Sachen Office, wollen ihre oftmals sensiblen Daten nur ungern an externe Dienstleister herausgeben. Aber auch hier will Microsoft punkten: Dann werden die Web-Anwendungen eben nicht an ein externes Rechenzentrum ausgelagert, sondern finden auf unternehmenseigenen, abgesicherten Servern statt. Aus dem gesamten Internet nutzbar blieben sie dann auch so.
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