Schräge Vögel in der NBA: Der Joint in der Hosentasche
Die Verhaftung Joakim Noahs wegen Marihuana-Besitzes offenbart ein Marketing-Dilemma der NBA: Schräge Vögel bringen frisches Publikum - aber allerhand Probleme.
Das Problem war der Becher. Er war aus durchsichtigem Plastik. Man konnte sehen, sogar von einem vorbeifahrenden Polizeiauto aus, sogar um 2 Uhr morgens, dass in ihm eisgekühlte, bernsteinfarbene Flüssigkeit transportiert wurde. Wäre der Becher nicht durchsichtig gewesen, dann hätte der junge Mann, der ihn über den nächtlichen Bürgersteig trug, nun womöglich keine Anklage am Hals und die National Basketball Association (NBA) keinen neuen Drogenskandal zu verdauen.
Aber der Becher war eben durchsichtig, der Polizeiwagen hielt, und seitdem haben Joakim Noah und die NBA ein Problem. Denn in den USA ist der Verzehr von Alkohol in der Öffentlichkeit eine Straftat und erst recht nicht gern gesehen in einem typischen amerikanischen Provinzstädtchen wie Gainesville. Dort, im Norden Floridas, ist der 23-jährige Noah ein Lokalheld, seit der Power Forward das Basketball-Team der örtlichen University of Florida zweimal zur nationalen Meisterschaft führte.
Der Bekanntheitsgrad des Verdächtigen allerdings hielt die Beamten nicht davon ab, den mittlerweile für die Chicago Bulls spielenden Noah gründlich zu durchsuchen und einen Joint in seiner Hosentasche zu finden. Nachdem er sich verpflichtet hatte, demnächst vor einem Richter zu erscheinen, wurde Noah zwar wieder freigelassen. Aber nun drohen ihm 500 Dollar Strafe und bis zu sechs Monate Gefängnis.
Ob Noah nun verurteilt wird oder nicht: Seine Verhaftung offenbart ein grundsätzliches Problem der NBA. Die Liga verkauft sich nicht allein über das Produkt auf dem Court. Um nicht nur Basketballfans, sondern auch ein breiteres Publikum anzuziehen, braucht die NBA Aushängeschilder, die mehr sind als nur gute Sportler. Noah, der Sohn des ehemaligen französischen Tennistars Yannick, erfüllt diese Voraussetzungen schon aufgrund seiner Herkunft. Er ist aber auch selbst eine Ausnahmeerscheinung, weil er zwar als belesener Intellektueller gilt, sich aber auch mit den üblichen Insignien der Hihop-Kultur zu schmücken weiß und so ein junges Publikum anspricht, das sich in den letzten Jahren zusehends aufgrund exorbitanter Eintrittspreise von der NBA abgewandt hatte.
Noah hat sicherlich nicht genug Talent, um ein Superstar zu werden wie der ähnlich alte LeBron James. Aber er repräsentiert eine nicht unwichtige Image-Facette im Portfolio der Liga, um Fans zu binden. Fans, für die das Geschehen auf dem Platz oft nur zweitrangig ist. Gerade die zu binden, ist aber wichtig für die NBA. Denn ein Image ist leichter zu kontrollieren als das Geschehen auf dem Platz. Sollten sich in den momentan ausgeglichen verlaufenden Playoff-Halbfinals die Los Angeles Lakers und die Boston Celtics durchsetzen, währen gute TV-Quoten garantiert. Aber sollten San Antonio und Detroit die Endspiele bestreiten, droht ein Quoten-Fiasko.
Spieler wie Noah, die weitgehend unabhängig von ihrer sportlichen Leistung die Liga auch außerhalb der USA bekannt machen, sind deshalb unverzichtbar. Doch mit solch bunten Vögeln handelt man sich notgedrungen auch den einen oder anderen Skandal ein, der das angestrebte Saubermann-Image beschädigt. Man erinnere sich nur an einen Dennis Rodman, dessen Verdienste, die NBA in Europa zu popularisieren, kaum hinter denen von Michael Jordan zurückstehen, dessen Eskapaden den Liga-Bossen aber auch manch schlaflose Nacht bereitet haben dürften. Die NBA ist und bleibt in erster Linie ein Produkt, das verkauft werden muss. Dabei entstehen Widersprüche, von denen mancher eben nicht auflösbar ist.
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