piwik no script img

■ KommentarSchonfrist abgelaufen

Als Hartmuth Wrocklage das Amt des Innensenators übernahm, brachte die Öffentlichkeit dem „Humanisten“ Respekt entgegen und gewährte ihm einen deftigen Vertrauensvorschuß. Nun sind 100 Tage Schonfrist vorbei, Wrocklage darf nicht mehr an seinem Anspruch, sondern muß an Taten gemessen werden.

Und die lassen zu wünschen übrig. Abgesehen vom mutigen Einschreiten bei der Karoviertel-Randale, als Wrocklage die Polizei-Hardliner schockte, indem er mit Vermummten verhandelte, erklärt er nunmehr zwar sämtliche polizeiinternen Konflikte zur „Chefsache“, entscheidet aber letztlich nicht – und die Polizei-Offiziere lachen sich ins Fäustchen. Mittlerweile wird auch dieser Innensenator vom Apparat an der Nase herumgeführt – wie die heimliche Wiedereinsetzung der „E“-Schichten beweist.

Nicht anders beim Polizeiskandal, zu dessen Aufklärung und Bereinigung Wrocklage angetreten ist. Als sein Vorgänger Hackmann die Dimension der ausländerfeindlichen Tendenzen und Übergriffe erkannte und feststellen mußte, daß er von seinen Polizeichefs, die die Übergriffe vertuschten, jahrelang „bewußt dumm gehalten“ worden war, warf er im letzten Moment das Handtuch.

Jetzt muß sich Wrocklage mit dem Hackmann-Erbe auseinandersetzen und zur Kenntnis nehmen, daß aus Vorwürfen Erkenntnisse geworden sind. Doch was tut er? Er verschanzt sich hinter der Staatsanwaltschaft. Hackmann ist vielleicht „dumm gehalten“ worden, Wrocklage muß sich allmählich den Vorwurf gefallen lassen, „dumm zu sein“, wenn er nicht endlich personelle Konsequenzen zieht.

Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen