: Schoko-Menschen im Hasenpelz
■ Totlachen oder Reden und Reisen, bis endlich Ende ist: Sibylle Bergs Roman „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“, inszeniert auf Kampnagel
„Die Leude woll'n, dass was passiert, die Leude woll'n das krass serviert...“ („Fünf Sterne de Luxe“): Immer mehr Freizeit haben heißt, immer mehr Zeit verbringen müssen. Wer sich nicht in sinnlose Adventures und Action-Selbsterfahrungs-Events stürzt, bleibt zu Hause oder verreist in der leisen Hoffnung, dass dort schon irgendetwas Spannendes passieren wird.
Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot heißt der Roman von Sibylle Berg, der in der kommenden Woche – von Anne Kersting dramatisiert – unter der Regie von Matthias von Hartz auf Kampnagel Premiere feiert.
„Der Roman ist eine Versuchsanordnung von Sibylle Berg“, sagt von Hartz. „Der Versuch ist wirklich: Das Glück suchen und sich totlachen. Mal sehen was (vorher) passiert, sehen, ob man auch über sich selbst lachen kann.“
Und in dieser Anordnung werden vier Personen aus dem Roman und eine „Spielleiterin“ (mit Text aus Sibylle Bergs Essayband Gold versehen) im Stück aufeinander losgelassen. Frei von materiellen Sorgen, dafür aber massiv in ihrer persönlichen Selbstfindung gestört und auf der Suche nach dem Glück, erfüllen sich die ProtagonistInnen ihren letzten Traum: Sie träumen. („Wenn die Träume wahr werden, sind sie schon keine mehr“ heißt eine der fünf Szenen.)
„Pit liebt Vera, Vera liebt Pit, Bettina liebt Pit, Bettina liebt Tom, Nora liebt Tom, Tom liebt Nora usw.“ Mit diesen Worten wird die Hamburger Fassung des Berg-Stückes lakonisch angekündigt. Wahllose Leidenschaft und kopfloses Herumreisen scheinen die letzten Wünsche und Attraktionen dieser Mittdreißiger zu sein. Hauptsache, die Zeit bis zum Tod irgendwie rumkriegen. Aber dafür ist selbstverständlich gesorgt. Ob man vom Pfeil durchbohrt wird, Selbstmord begeht oder Opfer eines Unfalls wird – am Ende des Stückes hat der Tod jedeN der vier Beteiligten ereilt.
Ganz so verzweifelt und ausweglos möchte Matthias von Hartz das Leben aber doch nicht sehen – anders als offensichtlich die Autorin: „Sibylle Berg findet, das Leben ist immer irgendwie schwierig und man muss sehr genau sehen, was man sich wünscht, um glücklich zu werden“, sagt von Hartz.
Was die vier ErzählerInnen dagegen zu Genüge tun, ist Reden. „Reden macht Wirklichkeit“, sagt Pit folgerichtig an einer Stelle. Und versinkt dabei langsam und unmerklich in seiner eigenen Redenwirklichkeit. „Die Inszenierung ist wenig dialogisch, was zum einen daran liegt, dass die Vorlage ein Roman ist“, erläutert Matthias von Hartz. „Zum anderen geht es für die Menschen im Stück auch weniger darum, miteinander zu reden. Die Hauptsache ist eher, sie reden viel. Es gibt in der Inszenierung keinen psychologisch vorbesetzten Illusionsraum, wie sonst im Theater, sondern die SchauspielerInnen sitzen im Garten und erzählen einfach Geschichten.“
Lustig, zumindest für das Publikum, werden diese Geschichten allerdings sein; dafür spricht auch das wunderbare Plakat zum Stück, das poppige Schokoladenosterhasen zeigt, in denen (Schokoladen-) Menschen stecken. Der Regisseur findet das konsequent: „Sibylle Bergs gnadenloser Blick auf unsere Sehnsüchte bewegt sich immer zwischen freundlichem Humor und Kannibalismus. Und so kommt der Mensch in die Osterhasenverpa-ckung.“ Christian T. Schön
Premiere: Mittwoch, 19.30 Uhr, Kampnagel, k2. Weitere Vorstellungen: 20.-22., 24., 27., 28.4.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen