: Schöne hohle Welt!
Über konvexe Typen und konkave Erde
Am Anfang unseres Lebens leben wir alle in einer kleinen hohlen Welt, dem Uterus. Geworfen in die kalte Realität, möchten wir nur allzu gern zurück in die interuterine Geborgenheit. Kein Wunder, wenn sich dieser Wunsch in dem Weltbild mancher Wissenschaftler wieder abbildet.
Der große Astronom Halley war der Erste, der so ein Weltbild schuf, das er Hohlwelttheorie nannte. Diese besagt, dass wir nicht auf dem Planeten, sondern darin leben! Halley stülpt quasi den Planeten von außen nach innen und fertig ist das neue Universum. Im Zentrum der Kugel sorgt die Sonne für Licht und drei belebte Planeten sausen um sie herum. „Das ist ein äußerst interessantes Gedankengebäude“, sagt wohlwollend Lessing im Comic-Heft Mosaik mit der Nummer 426 dazu. Auch Goethe schien dem Hohlweltgedanken anzuhängen, ließ er nicht im Faust den Kater der Hexe sagen: „Das ist die Welt … ist hohl inwendig“?
Ein etwas abgewandeltes Hohlweltbild hatte der amerikanische Infanterie-Hauptmann John Symmes, der Anfang des 19. Jahrhunderts lehrte, dass die Welt rund und hohl sei, mit einem großen Loch am Nordpol. Durch dieses Erdloch in das Innere vorzustoßen, war sein großes Ziel, er scheiterte aber an der Finanzierung der Expedition. Deutlicher hat wohl kein Wissenschaftler seinen Wunsch, in den Uterus zurückzukehren, formuliert. 2006 wollte eine Reisegruppe seiner Anhänger mit dem Eisbrecher „Yamal“ die sogenannte Nordpolaröffnung suchen. Der Spaß sollte 20.000 Dollar kosten, die aber nicht zurückerstattet werden würden, falls die Nordpolaröffnung nicht gefunden werden sollte. Doch das schien dem Reiseveranstalter unwahrscheinlich, war man doch sicher, die Öffnung bei 84,4 Grad Nord und 141 Grad Ost zu finden (Chrismon 1/06). Der Zugang zum Mittelpunkt der Welt sollte ein vernebelter Einstieg sein.
Leider wurde das ambitionierte Unternehmen vorerst abgeblasen, weil der Kopf des Unternehmens, der Physiker Brooks Agnew, vor Beginn der Reise starb. Die Expedition wurde auf 2008 verschoben, das Vorhaben verschwand aber vermutlich im Nebelloch des Vergessens.
Der Erste, der die ursprüngliche Hohlwelttheorie von Halley umfassend vertiefte und abrundete, war ein amerikanischer Sektenführer mit dem schönen, sich selbst reimenden Namen Cyrus Reed Teed. Als ihn bei einem seiner Experimente ein Stromschlag zu Boden streckte, sollte das schlagartig sein Weltbild umstülpen. Seine schöne hohle Welt bescherte Reed Teed zeitweilig über 4.000 Anhänger, darunter viele Frauen. Was will ein Sektenfürst mehr? Jeden Gegner seiner Weltsicht hielt der tief religiöse Teed alias Koresh für den leibhaftigen Antichrist.
Er starb 1908, aber in den dreißiger Jahren sollte sein Erfolgsmodell wieder neue Anhänger finden. Der bekannteste von ihnen war Johannes Lang, der mit Das neue Weltbild eine Broschüre mit sieben Ausrufezeichen auf der Titelseite in die verblüffte Hohlwelt warf.
Der prominenteste Hohlist sollte aber ein Österreicher werden: Laut dem Raben Nummer 35 berichtete der Schweizer Sozial- und Wirtschaftshistoriker Jean-François Bergier, der in seinem Bergier-Bericht die während des Zweiten Weltkriegs in die Schweiz gelangten Vermögenswerte historisch aufarbeitet, dass Hitler die „Idee entwickelt hat, dass die Erde nicht konvex, sondern konkav sei“. Er ließ 1942 auf Rügen dazu aufwendige, geheime Radarexperimente ausführen, sollte aber bekanntlich auf ganzer Linie mit seinem Weltbild scheitern. Eine ganz andere Weltsicht hatte der alte Grieche Paraminedes, der sich visionär die Erde wie den Bodensatz aus Wasser oder Sand unter einer hohlen Glaskugel vorstellte. Er nannte dieses Weltbild Halbwelttheorie, besuchte eifrig die Freudenhäuser seiner Umgebung und sollte glücklich und zufrieden sterben. Von der Halbwelttheorie zur Flachbildtheorie ist es nur ein kleiner Schritt. Man könnte so ein flaches Weltbild auch Scheibenweltmodell nennen und viel Spaß damit haben, wenn man alles darüber in den großartigen Scheibenwelt-Romanen von Terry Pratchett nachliest!
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