■ Vorschlag: Schöne Frauen fürs ganze Jahr (bald auf dem Schloßplatz)
Nach Schloßattrappe, Wrapped Reichstag und Baustellenbegehung steht Berlin eine neue Touristenattraktion bevor: Ab dem 26. April wird für 18 Monate der Schloßplatz geschmückt. Mit einem Riesengästebuch in einer goldenen Riesenpyramide und einem runden, roten Theaterzelt, in dem unter anderem ein Berlin-Historical mit dem Titel „Himmel und Hölle – Berlin“ aufgeführt werden soll. Natürlich gibt's auch Erbsensuppe satt in zwei „typisch berlinischen“ Restaurants. Insgesamt kostet das privat finanzierte Projekt 12 Millionen Mark. Frei nach dem Motto „Was Christo kann, können wir schon lange“ hat der Veranstalter, die Agentur für Europäische Kommunikation Palamedes, den Wiener Künstler Ernst Fuchs für das Projekt gewonnen. Handschriftliche Skizzen des phantastisch- realistischen Malers werden die Außenseite der Pyramide zieren, und drinnen sollen sich die Besucher auf zwei Ebenen mit ihren Grüßen an die Stadt Berlin im – ebenfalls von Fuchs gestalteten – Gästebuch verewigen. Für fünf Mark Eintritt, ermäßigt drei.
„Wir rechnen mit einer Million Besucher – ein Guinness-Rekord“, sagte Paul-Werner Wagner von Palamedes gestern auf der Pressekonferenz im Radisson Hotel. „Dann könne alle Besucher sagen: Ich bin ein Guinness-Rekordler. Das ist ein kleiner Gag.“ Der Pyramiden-Architekt Helmut Maier erklärte die „sinnfällige“ Grundidee des Projekts: „Die Pyramide ist ja eine Grabkammer, und ein Gästebuch ist etwas, in das man sich, also seinen Namen, eingräbt. Somit haben wir den Kreis, der hier eine dreieckige Spitze hat, geschlossen.“ Der leider erkrankte Ernst Fuchs wurde per Telefon von seinem Wiener Frühstückstisch zugeschaltet. „Die Kassettierung des Gästebuchs wird das Zentralmotiv ,Bär-lin' zieren, und auf den einzelnen Kassetten werden lauter Bienen sein“, beschrieb Fuchs seine künstlerischen Ideen. „Im Buch selber stelle ich mir Seiten zu den vier Jahreszeiten vor, verkörpert von vier schönen Frauenpersonen. Ich hoffe, daß sie der hohen Würde entsprechend schön sein werden, denn jede Jahreszeit hat ja bekanntlich ihre Schönheit.“
Allerdings: Noch haben die Veranstalter die Sondernutzungsgenehmigung vom Bauamt Mitte nicht offiziell erhalten. Peter Lexen vom Tiefbauamt Mitte sicherte diese aber für die nächsten zehn Tage zu, so daß man sich auf die Realisierung des „Gesamtkunstwerks“ verlassen kann. „Macht's gut, ihr Lieben!“ verabschiedete sich Fuchs am Telefon, und fröhlich antwortete der Journalistenchor: „Tschühüß!“ Ania Mauruschat
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