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■ SchnittplatzErichs Schicksalsjahr

Eigentlich toll, daß 1997 schon am 7. Dezember vorbei war. An diesem ziemlich langweiligen Sonntag hatte Erich Böhmes Produktionsfirma per Postkarte ins Berliner Interconti eingeladen. „Schicksale 1997 – Erich Böhme blickt zurück“. Ich hatte gleich ein mulmiges Gefühl. Wir waren viel zu früh in der merkwürdig unspektakulären Hotellobby-Talkkulisse, und so wurde mit „Schicksals“-Insidern spekuliert, wen Onkel Böhme denn wohl eingeladen hätte. „Die Ferres und der Dietl sollen kommen, wegen ,Rossini‘.“

Schön daß Böhme auch Menschen einlädt, die man eher zu den Schicksalen 96 zählen würde. Aber bei Böhme geht es so gerecht zu, daß sogar der ansonsten bei Jahresrückblicken sträflich vernachlässigte Januar gewürdigt wird. Und wie mutig Erich fragen kann, denn vor dem gnadenlosen TV- Egalisator sind alle Menschenschicksale gleich, egal ob sie das schlimme Oder-Hochwasser bekämpft, Lady Di gegen den Pfeiler gesetzt oder Versace erschossen haben. Und bei Elton Johns Di- Lied „habe auch ich geschluckt“. Auch Veronica Ferres muß erst mal schlucken, als Erich in ihren tiefen Ausschnitt hineinfragt: „Ist es ihnen eigentlich schwergefallen, in ,Rossini‘ das blonde Dummchen zu spielen?“

Mutig eben, denn immerhin hatte Dietl, der links vergrätzt ketterauchend neben Erich hockt, angedeutet, ziemlich gut mit Ferres befreundet zu sein. Die wiederum schaufelte einen mittleren Abgrund hinter Dietl: „Mit seinen Schauspielerinnen kann der alles machen.“ In diesem verminten Gelände war keine Flucht mehr möglich. Weder die ,Rossinis‘ noch wir als Klatschstatisten konnten Onkel Bräsigs Schicksalsshow vorzeitig verlassen. Es galt ja, noch dem Altmeister des lockeren Fernsehfaschisierens, Gauweiler, ohne Zwischenruf zu lauschen. Otto Schily soll Gauweiler widersprechen, dann tuckert Böhme, dann stirbt plötzlich Mutter Teresa. Die Mädchen in der Reihe vor uns halten ihre Haarmähnen immer noch Richtung Kamera. Sie erschrecken, als Erich Reformluftballons knallen läßt. Nach der Sendung bitten sie ihn um ein Autogramm. Andreas Becker

„Der Sat.1-Jahresrückblick mit Erich Böhme“, So., 22 Uhr, Sat.1

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