■ Schnittplatz: Südländer, formerly known as Finsterling
Fest im „Würgegriff“ hatte er noch unlängst Berlin. „Am frühen Morgen treffen sich die Hütchenspieler (alles Kosovo-Albaner) ... am Fernsehturm. Sie betrügen immer – und manchmal schießen sie auch.“ (Berliner Kurier, Juli 97) Oder: „Mafia greift an. Grund für die Heroin-Lawine: Viele Kosovo-Albaner ...“ (B.Z., Juli 97) Und die Drahtzieher? Im Asylbewerberheim.
Jahrelang gab „der Kosovo-Albaner“ in der bunten Massenpresse der Hauptstadt den Finsterling. Die Stories zeichneten einen nur halb zivilisierten Südländer, dessen Metier Bandendiebstahl, Zuhälterei, Schutzgelderpressung und Straßenraub waren. Für seinen Charakter stand das Stiefelmesser: „In Freundschaft zugestochen ... Es war ein Freundschaftsspiel ... Doch ein 23jähriger Kosovo-Albaner kapierte es nicht und ... zog ein Messer aus seinem Turnschuh.“ (Berliner Kurier, September 95) Sein „heißes Blut“ machte seine Liebe tödlich: „Liebes-Rache: Familie im Haus verbrannt.“ Klar, so einer kann keinen Frieden halten: „Kosovo-Albaner drohen Serben mit Krieg.“ (Berliner Kurier, März 98)
Ein Jahr später werden die ersten „Vertriebenen“ in Berlin mit Applaus empfangen. Der Imagewechsel des „Kosovo-Albaners“ vollzog sich rasant. Zuerst verschwanden Heroin-Lawinen und Eifersuchtsmorde, dann folgten die guten Taten: Am 11. 11. 98 stellt er „beherzt“ einen Räuber in Berlin. Und weil Opfer sympathisch sein müssen, schwört er, kurz bevor ihn der „Killer-Serbe im Blutrausch“ in „KZ-Zonen“ treibt (Berliner Kurier, März 99), Enthaltsamkeit: „Single Faruk Shabani“ war „noch nie in einer Disco.“ Er „erzählt von 80 Mark Taschengeld im Monat ... Faruk beschwert sich nicht, er antwortet nur auf Fragen.“ (Berliner Kurier, Februar 99) Für einen Bild-Titel wie „Wir nehmen sie auf“ reicht auch das noch nicht, verweinte Kindergesichter und Großmütter müssen her. Bild holt die „kleine Albenite (3)“ aus der „Hölle“, und Harald Juhnke spendet. „Kosovo-Junge, wir helfen dir“ (B.Z., März 99) – und zwar zackbumm. Velten Schäfer
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