Schnellstmögliche Aufklärung?: Polizeiausbilder außer Kontrolle
Die Polizeischule in Eutin sorgt für Wirbel: Ein Ausbilder soll eine Polizeischülerin gegen deren Willen geküsst haben. Er ist befördert worden.
Dieser Vorfall war bei der Schulleitung und der Polizeiführung bekannt, es wurde sogar ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Doch dieses Verfahren ist nach Recherchen des NDR im Dezember mit einem Verweis eingestellt worden. Der Beamte wurde in die Polizeidirektion Lübeck versetzt und – was wie ein makaberer Witz klingt – gleichzeitig befördert. Nur wenige Monate später holte der wegen ähnlicher Vorfälle mittlerweile strafversetzte Chef der Polizeischule, Jürgen Funk, den Mann wieder zurück – angeblich wegen Personalmangels und obwohl die Polizeischülerin noch immer ihre Ausbildung in Eutin absolvierte.
Auch an der Polizeischule selbst hat der Umgang der Polizeiführung mit dieser Personalie bei einigen Befremden ausgelöst. „Es gibt Ausbilder, die eine hervorragende Arbeit leisten und sich solchen Scheiß nicht erlauben und trotzdem nicht befördert werden“, sagt ein Insider.
Die CDU warf Innenminister Stefan Studt (SPD) „Führungsversagen“ vor. „Im Umgang mit Disziplinarverfahren gebe es Handlungsbedarf“, sagte der Landtagsbgeordnete Axel Bernstein. Denn die Entscheidungen in Eutin seien in Absprache mit der zentralen Stelle im Innenministerium getroffen worden. Das Kieler Innenministerium weist die Kritik zurück. „Wir haben eine strukturelle und personelle Neuaufstellung veranlasst, die dazu führen kann, dass neue Sachverhalte bekannt werden und alte Sachverhalte eventuell neu betrachtet werden müssen“, verteidigte sich Minister Studt gegenüber der taz.
Die Landespolizeischule Eutin bildet den Nachwuchs für die Landespolizei in Schleswig-Holstein aus.
400 PolizeianwärterInnen haben im vergangenen Jahr in Eutin ihre Grundausbildung begonnen.
Die Auswahlkriterien der BewerberInnen herabgesetzt hatte der Chef der Polizeischule, Jürgen Funk, weil er aus Bewerbermangel um Nachwuchs fürchtete.
Sexistische und rassistische Vorfälle meldeten Ende 2014 mehrere Polizeianwärterinnen. Die eingeleiteten Disziplinarverfahren gegen Polizeischüler verliefen im Sande.
Die sexuelle Belästigung des Ausbilders an einer noch minderjährigen Polizeischülerin war der Schulleitung bekannt, führte aber nur zu einem Verweis und einer Versetzung.
Dies gelte auch für den jüngst bekannt gewordenen Fall. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch hier durch laufende Ermittlungen weitere Erkenntnisse ans Licht kommen könnten. Alle Vorwürfe müssten schnellstmöglich und umfassend aufgeklärt werden, sagte der Minister. „Dazu wird es auch externe Hilfe und Unterstützung geben.“
Schon auf eine Anfrage der Piratenpartei hin, hatte das Ministerium eingeräumt, dass es in der Vergangenheit bei Abschluss- oder Bergfesten der Ausbildungsgänge in sehr wenigen Einzelfällen Distanzunterschreitungen zwischen Ausbildungspersonal und Auszubildenden gegeben habe. „Bei derartigen Vorfällen handelt es sich um individuelles Geschehen, das grundsätzlich im Rahmen von Verwaltungsermittlungen und Disziplinarverfahren untersucht wird“, hieß es.
Offenbar aber mit geringer Intensität. Denn schon die Straf- und Disziplinarverfahren aufgrund von Rassismus- und Sexismus-Vorwürfen gegen Polizeianwärter waren im vergangenen Jahr im Sande verlaufen. Sie sollen Polizeischülerinnen 2014 durch Po-Grapschen sowie verbal sexuell belästigt und Kollegen aus Einwandererfamilien als „Kanaken“ beschimpft haben.
Die Akten waren kurzerhand geschreddert worden, bevor der Pirat Breyer die Vorfälle just vor der Vereidigung der Polizeianwärter im Mai dieses Jahres aufdeckte. Das hat zumindest dazu geführt, dass gegen zwei Jung-Polizisten erneut ermittelt und einer aus dem Dienst entfernt wurde.
Im Innenministerium und bei der Polizeiführung müsse endlich eine „Fehlerkultur“ eingeführt werden, die es erlaube, offen mit Missständen umzugehen, die nötigen Konsequenzen zu ziehen und Hinweisgeber zu schützen, fordert der Pirat Breyer: „Es muss Schluss sein mit der bis ganz oben praktizierten Strategie des Verschweigens, Vertuschens, Vertagens und Verfolgens von ‚Lecks‘.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!