: Schneesoldaten
Warum der Abrüstungsvorschlag des Kommunisten Gysi letztlich den alpinen Skisport im Westen treffen soll ■ P R E S S - S C H L A G
Es gehört im Grunde nicht zu den Aufgaben des Sportreporters, einen Leitartikel von Marion Gräfin Dönhoff zu interpretieren. Aber nun besteht ernste Gefahr, das „große Vorbild“ (Alice Schwarzer) könnte mißverstanden werden. Oh nein, nichts gegen den Satz „Ohne Zweifel ist unsere Gegenwart durch einen äußerst komplexen Zustand der Welt gekennzeichnet“. Im Gegenteil, volle Zustimmung! Nur, einzelne Aussagen zur Weltlage bedürfen der filigranen Begründung, der Leser bleibt sonst grad blöd wie zuvor.
Zum Beispiel: „Natürlich kann kein ernsthafter Mensch glauben, daß eine totale Abrüstung möglich oder auch nur wünschenswert wäre.“ Das steht doch verloren und allein in der neuesten 'Zeit‘, könnte den einen oder die andere auf den Gedanken bringen, Mitherausgeber Helmut Schmidt, Kommißkopf von Haus auf, habe da die Feder geführt. Aber wo!
Marion Gräfin Dönhoff will den alpinen Skisport retten. Sie kennt ihre Pappenheimer und weiß wohl, worauf der tückische Vorschlag des SEDlers Gregor Gysi zielt: Halbieren wir doch einfach die Zahl der Soldaten und ihr Wehrgerät. Oho, nicht umsonst hat man der Gräfin jüngst zum Achtzigsten ein Symposium geschenkt mit dem Thema „Ist der Sozialismus am Ende?“. So eine geht dem Agitator nicht auf den Leim.
Weil sie, wie wir, das Telefax aus Kitzbühel bekommen hat vom Verkehrsverein. Dort nämlich gibt es derzeit mehr Märzensonne als den Schnee des Jänner, und ernste Gefahr droht einem Jubiläum des berühmtesten aller Abfahrtsläufe: dem 50. Hahnenkammrennen am Samstag. Besser: würde drohen. Wenn da nicht das österreichische Bundesheer wäre. Tagelang rückten die Kompanien aus, um im ganzen Alpenland Flocke für Flocke von den Bäumchen zu schütteln, auf den Feldern wie Gletschern zusammenzuscharren und zur Seidlalm zu transportieren. Und jetzt werden die 4.000 Kubikmeter Fundschnee mit Hubschraubern zur eigentlichen Rennstrecke geflogen und zu einer feinen Piste, der „Streif“, zusammengebacken.
Der Gysi könnt‘ das nicht. Erstens fehlen ihm die Valuta (zwei Millionen Mark kostet die Schneecollection); zweitens mangelt es seiner Helikopterflotte noch immer an Ersatzteilen; und drittens hat er weder alpine Abfahrer noch Berge. Weshalb diese Woche ein seltsamer Tausch stattgefunden hat: nordischer Skitrainer Ost (Konrad Winkler, 35, Weltmeister) gegen alpine Ski und Bindungen Marke West. So soll nach und nach neben dem wirtschaftlichen und demokratischen auch das alpine Gefälle ausgeglichen werden.
Jetzt haben wir die Dönhoff und den Gysi endlich beisammen. Sein Vorschlag zielt auf Schwächung, und die Gräfin hat's erkannt. Abrüstung geht nicht, weil wir Mann und Maschinen brauchen, um unsere alpine Überlegenheit zu sichern (Zudem: Stehen nicht unsere besten Sportler auf den Gehaltslisten der Hardthöhe?). Und mit dem Jäger 90 fliegen wir die nötigen Eisplatten fürs Garmischer Rennen binnen Tagen auch vom Pol herbei.
Gerhard Stoltenberg, Strammsteh'n! Nicht einlullen lassen! Und wenn schon: Schneekanonen sind bei Verhandlungen nicht einbezogen, da bleibt der Westen eine Macht. Schon zum Trost für Helmut Schmidt.
Thömmes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen