Schmiergeldprozess um Panzerbauer: Waffendeal wie geschmiert
Ein Manager des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann soll Schmiergeld abgezweigt haben. Ein Ex-SPD-Abgeordneter muss aussagen.
Und der gab sich erwartungsgemäß schweigsam. Kurzer Blick zum Anwalt, ein leichtes Kopfschütteln von diesem, und dann: „Nein.“ Diese Szene spielt sich dreimal hintereinander ab, als Steiner gefragt wird, ob er sich zu diesem oder jenen für das Gericht interessanten Themenkomplex äußern wolle.
Was das Gericht an diesem Morgen von Steiner erfährt, geht am Ende nicht über das hinaus, was man auch auf Wikipedia hätte nachlesen können: dass er 79 Jahre alt ist, in Iserlohn lebt, SPD-Mitglied ist, Bundestagsabgeordneter von 1980 bis 1994 war, die meiste Zeit davon im Verteidigungsausschuss saß und zuletzt sogar dessen stellvertretender Vorsitzender war. Einzig der Bindestrich verwirrt etwas.
Steiner sagt bei den Angaben zur Person seinen Vornamen und ergänzt: „Ohne Bindestrich.“ Das steht nicht nur im Widerspruch zu der Schreibweise auf Wikipedia und der in vielen Artikeln über den Politiker, sondern sogar zu der auf alten Wahlplakaten, auf denen sein Name über dem Slogan „Sicherheit für Deutschland“ steht. Aber der Bindestrich dürfte hier, um im Jargon zu bleiben, nicht kriegsentscheidend sein.
Staat hat nicht mitverdient
Steiners Schweigen verwundert wenig, schließlich ist er selbst Angeklagter in einem anderen Verfahren, in dem es um Korruption bei den Rüstungsgeschäften von KMW geht, und nimmt deshalb von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird dem früheren Berufssoldaten in dem Verfahren vorgeworfen.
Der Name Steiner fällt schon seit längerem immer wieder, wenn es um Korruption im Zusammenhang mit KMW geht. Der Ex-Politiker hatte gemeinsam mit Dagmar Luuk, ebenfalls einer ehemaligen Abgeordneten des Bundestags und dort Vorsitzender der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe, eine Firma gegründet: das Büro für Südosteuropa-Beratung GbR (BfS). Über die BfS sollen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Schmiergeldzahlungen an Griechenland gelaufen sein.
Heute im Sitzungssaal B 273 des Landgerichts München ist Steiner jedoch nur Nebendarsteller. Im Mittelpunkt steht hier Olaf E., ein ehemaliger Manager von KMW. Ihm wird Steuerhinterziehung vorgeworfen. Ein wenig absurd klingt es ja schon: Olaf E. hat Schmiergeldzahlungen an griechische Regierungspolitiker eingeräumt. Jetzt steht er vor Gericht, ihm droht sogar eine Haftstrafe. Was ihm aber zur Last gelegt wird, ist nicht Korruption, sondern der Umstand, dass der Staat daran nicht mit verdient hat.
Korruption gilt zwar auch in Deutschland nicht als Kavaliersdelikt, aber anders als die Steuerhinterziehung ist sie im Fall von Olaf E. schon verjährt. Auch der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann, für den Olaf E. damals arbeitete, ist mitangeklagt. Aber auch das Unternehmen nicht wegen Korruption – sondern weil es die Schmiergelder von der Steuer abgesetzt hatte.
Olaf E. fühlte sich unterbezahlt
Aber alles der Reihe nach: Man schrieb das Jahr 2001, als sich die griechische Regierung, damals bei Rüstungsausgaben noch etwas weniger zurückhaltend als heute, nach neuem Gerät für ihre Armee umsah. Und die Münchner Firma Krauss-Maffei Wegmann hatte da interessante Artikel in ihrem Angebot. Etwa den Kampfpanzer Leopard – ein echter Verkaufsschlager. Oder die Panzerhaubitze mit dem weniger klingenden Namen Pzh 2000. Aber auch sie ist ein vielseitiges Geschütz, das das Herz eines manchen Artilleriefreunds höher schlagen lassen dürfte: Die PzH2000, so preist sie ihr Hersteller an, ist ein „hochmobiles und flexibles Waffensystem, das sowohl im konventionellen Einsatz, als auch in asymmetrischen Gefechtsszenarien zur indirekten Feuerunterstützung eingesetzt wird“. Klingt toll – und weckte das Interesse der für das Militär Verantwortlichen in Athen. 24 Haubitzen sollten es schließlich sein, entschied man in Griechenland. Kostenpunkt: 188 Millionen Euro.
Dass die Entscheidung nun ausgerechnet für das Angebot aus München fiel, mag an der hohen Qualität der Produkte aus dem Hause Krauss-Maffei Wegmann (KMW) liegen. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass der Deal wichtigen Entscheidungsträgern in Griechenland durch Aufmerksamkeiten pekuniärer Art besonders schmackhaft gemacht wurde. Diesen Verdacht zumindest hegt die Staatsanwaltschaft in München. So soll sogar der Verteidigungsminister mit einem erklecklichen Sümmchen bestochen worden sein. Oder – etwas freundlicher formuliert – geschmiert. Dass hier Korruption im Spiel war, daran zweifelt eigentlich niemand mehr, aber die genauen Umstände, das „Wie“, sind noch etwas unklar.
Und da kommt Olaf E. ins Spiel. Er war zur Zeit des Deals „Vizepräsident für Internationales Marketing“ bei KMW – und eigener Aussage nach mit 6000 Euro Gehalt im Monat deutlich unterbezahlt. Netto, versteht sich. Und dieser Betrag, so gibt E. auf Nachfrage eines Richters zu, habe auch erst für seine Alterszeit gegolten. Davor habe er schon mehr verdient. Wie viel, daran könne er sich aber nicht mehr erinnern. Er werde mal auf den früheren Gehaltszetteln nachsehen und die Zahl nachreichen.
Die Staatsanwaltschaft nun wirft Olaf E. vor, an Schmiergeldzahlungen in Höhe von 7,9 Millionen Euro beteiligt gewesen zu sein – und dabei gleich auch noch 1,15 Millionen für sich selbst eingestrichen zu haben. Dieser letzte Betrag interessiert die Ankläger besonders – denn ihn hätte Olaf E. versteuern müssen. Außerdem, so ein weiterer Vorwurf, habe er seinen Arbeitgeber geschädigt, da die KMW-Gelder ja schließlich nicht für ihn vorgesehen gewesen waren. Die komplette Anklage lautet auf Steuerhinterziehung, versuchten Betrug und Geldwäsche.
„Nützliche Aufwendungen“
Wer auf eine Strafminderung hofft, für den empfiehlt es sich immer, ein umfassendes Geständnis abzulegen. Hierauf scheint auch der 72-jährige Angeklagte seine Hoffnungen zu setzen. Er sitzt ohnehin schon seit Beginn des Jahres in Untersuchungshaft in München-Stadelheim und legt vermutlich keinen allzu großen Wert darauf, auf seine alten Tage noch viel Zeit hinter Gittern zu verbringen. Besondere Rücksicht auf ehemalige Arbeitgeber oder Komplizen zu nehmen, das rückt angesichts einer solchen Aussicht in den Hintergrund. Deshalb, so ist zu vermuten, hat sich Olaf E. jetzt durchaus gesprächsbereit gezeigt.
So räumte der ehemalige Manager schon zum Prozessauftakt ein, dass zum Beispiel der stellvertretende Rüstungsdirektor in Athen bestochen worden sei. „Es war bekannt, dass in südosteuropäischen Ländern ohne diese Zahlungen Verträge nicht zustande kommen“, sagte er. „Nützliche Aufwendungen“ war der vorteilhafte Terminus für solche Schmiergelder, die etwa in Form vermeintlicher Beraterhonorare gezahlt wurden – und die bis 2001 sogar steuerlich absetzbar waren. KMW habe aber nie selbst „nützliche Aufwendungen“geleistet, erzählte E. dem Gericht. Für diese weniger sauberen Geschäfte wurden stets Vermittler vor Ort eingeschaltet. Geflossen seien die Gelder in diesem Fall zwischen 2002 und 2005.
Bei Aufträgen über 100 Millionen Euro seien zwei bis drei Prozent Vermittlungs- und Beratungsprovision marktüblich gewesen. Details aber habe man in München gar nicht erst wissen wollen. „Meine und unsere Haltung war: Lass mich damit in Frieden, das ist deine Angelegenheit“, sagte der Angeklagte. Das bedeute aber nicht, dass die Geschäftsführung gar nicht über Schmiergeldzahlungen informiert gewesen sei. Das gelte etwa für den damaligen Firmenchef und heutigen KMW-Aufsichtsratschef Manfred Bode. Erst wenn Bode genickt habe, sei ein Vertrag umgesetzt worden. Dergleichen ist dem ehemaligen Firmenchef jedoch laut Staatsanwaltschaft nicht nachzuweisen. Auch ein Ermittlungsverfahren gegen Bodes Nachfolger, den heutigen KMW-Chef Frank Haun, wurde vor wenigen Wochen eingestellt.
Die 1,15 Millionen Euro, die er selbst erhielt, begründete Olaf E., damit, dass ihn sein griechischer Vermittler auf „rein freundschaftlicher Basis“ an seiner eigenen Provision beteiligt habe. Die Ironie der Geschichte: Hätte er selbst nun seinerseits auch den deutschen Staat auf rein freundschaftlicher Basis an der Provision beteiligt, so säße er vielleicht nicht hier. Korruption hin oder her.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin