■ H.G. Hollein: Schmachtpost
Die Frau, mit der ich lebe, will mal wieder umworben werden. Kann sie haben. Wozu gibt es die „Kleine Anleitung zum erfolgreichen Verfassen von Liebesbriefen“ der Deutschen Post AG? „Mit Schreiben“, steht da drin, „kannst du jede Frau beeindrucken.“ Ad eins: die richtige Beleuchtung. „Kerzenlicht oder eine Lavalampe machen deine Gedanken ganz von selbst romantisch.“ Damit hätten wir ja schon den Eröffnungssatz: „Fast blind vor Liebe taste ich mich durch diese Zeilen...“ Ad zwei: bei Phantasien ist Zurückhaltung geboten. Schade eigentlich. Aber da wäre ja noch Tipp 11 „für Fortgeschrittene“: Man fange bei den „duftenden“ Haaren an und höre bei den „entzückenden“ Füßen auf. Dazwischen ... „nun ja“. Das ist gut. Hier gilt es lediglich, bei den Adjektiven die richtige Reihenfolge einzuhalten. Ad drei: schönes Papier. Kein Problem. In dem Büro, in dem ich täglich sitze, liegen jede Menge handgeschöpfte Büttenbögen rum, und Tipp-ex ist auch reichlich da. „Anbei liefern wir Ihnen (zzgl. 16 % Mwst.) ...“ lässt sich nun mal beim besten Willen nicht thematisch integrieren. Andererseits heißt es aber auch: „Ein Anfang, ein Geheimnis...“ Vielleicht sollte ich das Ganze inkognito abhandeln à la „Einer, der es gut mit Ihnen meint“. Das könnte nahtlos zu einer „Rendezvous-Rallye“ überleiten, mit „Schnitzeljagd-Anweisungen“ zu einem „Date“. Das wird sicher lustig. Aber wer weiß, bei wem die Gefährtin mit ihrem Orientierungssinn dann landet? Bliebe noch der Punkt „Was Mädchen nicht leiden können“. Z.B., „wenn du von ihrer besten Freundin schwärmst“. Aber warum eigentlich nicht? Gewinnt doch das Individuum erst im Vergleich mit anderen Kontur. Etwa so: „Ist die andere auch groß, so setz ich doch lieber dich mir auf den Schoß.“ Ein bisschen Selbstgedichtetes hat schließlich noch jede gerissen. Denn: „Die meisten Mädchen ertragen erstaunliche Mengen an Kitsch.“ Na dann.
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