Schlussplädoyers im Marwa-Prozess: Besondere Schwere der Schuld?

Das Urteil im Marwa-Prozess soll am Mittwoch gesprochen werden. Bei den Schlussplädoyers war auch ein ägyptischer Anwalt als Vertreter der Nebenklage anwesend.

Ein weiterer Tag im Fall Marwa hinter Panzerglas. Bild: dpa

DRESDEN taz | Äußerlich gleichen die Rituale am vorletzten Tag des Prozesses um den Mord an der Ägypterin Marwa El Sherbini den vorangegangen. Nach wie vor hockt der 28-jährige Angeklagte Alexander W. mit Sonnenbrille und Kapuze vermummt auf der Bank. Sein Blick ist nach unten gerichtet, ab und zu wechselt er flüsternd ein Wort mit Verteidiger Michael Sturm, ansonsten schweigt er.

Unter den Prozessbeteiligten aber ist am Montag ein neues Gesicht dabei, das man bislang nur im Zuschauerraum entdecken konnte. Hamza Ahmed Khalefa, der Präsident der ägyptischen Rechtsanwaltskammer, ist zu den fünf Anwälten der Nebenklage hinzugekommen. Eine am 1. Oktober in Kraft getretene Reform der Strafprozessordnung erlaubt das. Denn an diesem Montag sind die Plädoyers angesetzt, bevor am Mittwoch das Urteil gesprochen werden soll.

Wie nicht anders zu erwarten, plädieren Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Familienmitglieder El Sherbini auf die Höchststrafe "lebenslänglich" für den mutmaßlichen Mörder. Auch eine besondere Schwere der Schuld soll das Gericht feststellen. Damit dürfte eine Haftentlassung nicht schon nach 15 Jahren geprüft werden.

Oberstaatsanwalt Frank Heinrich hegt am Tathergang keinerlei Zweifel, zumal er vom Angeklagten selbst nicht bestritten wird. In der Berufungsverhandlung zu einer Beleidigungsklage am Dresdner Landgericht war Alex W. am 1. Juli nach der Zeugenaussage von Marwa El Sherbini aufgesprungen, hatte überraschend ein 18 cm langes Kampfmesser aus dem Rucksack gezogen und auf die Ägypterin und ihren Mann eingestochen. Marwa verblutete noch am Tatort.

Es ist Professor Heiko Lesch, Anwalt des überlebenden Ehemanns Elwy Ali Okaz, der besonders auf die dem Angeklagten unterstellten niedrigen Beweggründe eingeht. Dass Alexander W. aus Rassenhass und ausländerfeindlichen Motiven handelte, ist durch frühere Äußerungen unter anderem während der Verhandlung in erster Instanz belegt. Da ging es um Beschimpfungen Marwas als "Terroristenschlampe" auf einem Kinderspielplatz. Lesch versucht zu erklären, warum W. in "Killermanier", so Staatsanwalt Heinrich, auf die Ägypter losging. Durch seine erste Verurteilung zu einer Geldstrafe habe er sich als Verlierer gegenüber "minderwertigen Wesen" gefühlt. In einem Racheakt habe er seine vermeintliche Ehre wieder herstellen wollen, und sei es um den Preis des eigenen Todes. Denn W. bat nach der Tat den herbeieilenden Bundespolizisten, ihn zu erschießen.

Wesentlich für die Urteilsfindung ist die Frage, ob der Angeklagte vorsätzlich oder im Affekt gehandelt habe, wie die Verteidigung zu unterstellen versuchte. "W. plante die Tötung", stellt der Staatsanwalt unmissverständlich in seinem Plädoyer fest. Dafür spreche allein schon sein heimtückisches Verhalten im damaligen Gerichtssaal, als er zunächst ruhig antwortete und einen günstigen Augenblick für seine Attacke abwartete. Widerlegt sei auch die Schutzbehauptung, er habe das Kampfmesser immer bei sich getragen.

Der ägyptische Anwalt Kaledh Othman, der die Mutter vertritt, führt in einem leidenschaftlichen Vortrag schließlich auch politische Aspekte ein. Er stellt die Frage, wie der Angeklagte mit der Tatwaffe ins Gericht gelangen konnte, und gibt indirekt der Justiz und mangelnden Sicherheitsvorkehrungen eine Mitschuld am Geschehen. Mit dem Unterton des Bedauerns hatte Staatsanwalt Heinrich eingangs festgestellt, dass die sächsische Gerichtsbarkeit nach dem 1. Juli nicht mehr jene offene sei, mit der sie sich nach 1990 bewusst von der DDR-Justiz unterscheiden wollte. Die Plädoyers der Verteidigung sollten folgen.

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