: Schluckt SPD die Fünfer-Bande?
■ Regierung in der Krise: SPD schließt Kooperation mit „Statt-Partei-Einzelkämpfern“ aus / „Hospitanz“ in der SPD? Von Silke Mertins
Bis zum bitteren Fraktionsende hat die SPD das Gezanke und Gerangel ihres Regierungspartners Statt Partei mitangesehen. Jetzt greift der Chef höchstselbst in den grauen Bandenkrieg ein: Für heute hat Bürgermeister Henning Voscherau die fünf fraktionslosen „Stattianer“ um Achim Reichert zu einer Krisensitzung einbestellt.
Nach dem lärmigen Abgang des Duos Markus Wegner und Klaus Scheelhaase am Mittwoch und dem Verlust des Fraktionsstatus, ist der SPD die Regierungskooperation zu wackelig geworden. Zwar bleibt die rechnerische Mehrheit erhalten – 58 SPD plus 5 Stattianer von 121 Abgeordneten –, doch die nunmehr fraktionslose Fünfer-Bande unter Achim Reichert wird in den Ausschüssen nicht mehr vertreten sein.
Ohne die Abgeordneten der Statt Partei bekommen dann die Oppositionsparteien GAL und CDU die Mehrheit in den wichtigen Gremien: im Haushalts-, Verfassungs- und Eingabenausschuß. Die Arbeit der parlamentarischen Ausschüsse würde damit zur Farce. „Im Prinzip muß dann alles, was im Ausschuß beschlossen wird, im Plenum wirder um 180 Grad gedreht werden“, sagte der SPD-Fraktions-Chef Günter Elste. Diese Situation sei für den Rest der Legislaturperiode nicht durchzuhalten.
Unter Hochdruck arbeitem Reichert & Co deshalb daran, die Löcher im leckgeschlagenem Regierungsschiff zu stopfen; sie tagen, beraten und krisensitzen seit zwei Tagen praktisch ununterbrochen.
Den Fraktionsstatus zurückzugewinnen, dazu bräuchten sie den abtrünnigen Wegner-Fan Klaus Scheelhaase. Der betonte aber gestern noch einmal, daß eine „neue“ Statt-Partei-Fraktion nur nach seinen Spielregeln zustande kommen könnte: eine neue Geschäftsordnung – im Klartext die Abschaffung parteidisziplinarischen „Maulkorberlasses“ – Redefreiheit für alle Stattianer und „keine Diskriminierungen“ mehr. Dann wäre alles wie gehabt.
Da die „fünf Unabhängigen“ Stattianer auch gestern noch stur dabei blieben, „die Wiedererlangung des Fraktionsstatus“ anzustreben, liegt nahe, daß ihnen eine Änderung der Bürgerschafts-Geschäftsordnung am liebsten wäre. Würde nämlich die Mindestzahl für eine Fraktion von bisher sechs auf fünf gesenkt, wäre die Krise ausgestanden. „Solche Taschenspielertricks gibt's mit mir nicht“, lehnte jedoch SPD-Fraktions-Chef Günter Elste gestern gegenüber der taz diese Möglichkeit entschieden ab.
Im Ergebnis sieht es für das Weiterbestehen der Regierungskooperation düster aus: Wieder zur Fraktion zu werden, scheint für die Statt Partei derzeit unwahrscheinlich. Mit „sieben oder fünf Einzelkämpfer“ zusammenzuarbeiten „reicht nicht“, so Elste. Im Klartext: dann platzt die Kooperation. Bleibt nur noch die Hospitanz – eine Art „Gaststatus“ – in der SPD: Das würde die Mehrheit der Regierungskooperation in allen Ausschüssen wiederherstellen, stellt Elste fest. Fünfer-Banden-Chef Reichert schloß diese Möglichkeit aber schon am Mittwoch aus.
Kein Wunder, daß die Opposition richtig zappelig wird. Die CDU steht angesichts der Option, endlich mitzuregieren, aufgeregt in den Startlöchern. Eine „sichere Regierungsmehrheit“ müsse der Senat schaffen, so CDU-Fraktions-Chef Ole von Beust. Aber ohne die von der GAL geforderten Neuwahlen. „Diese Kooperation mit der Statt Partei war für die SPD billig zu haben, wird sie aber teuer zu stehen kommen“, freut sich der GAL-Fraktionsvorsitzende Willfried Maier.
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