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Schlichtungsrunde Stuttgart 21Wirtschaftlich fragil

Bei der dritten Stuttgart-21-Schlichtungsrunde streiten Projektgegner und Befürworter über die Neubaustrecke – und setzten unterschiedlich hohe Kosten an.

Wolkig: Auf harte Zahlen konnten sich die zerstrittenen Parteien bei der dritten Schlichtungsrunde nicht einigen. Bild: dapd

STUTTGART taz | Bei der dritten Schlichtungsrunde im Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" (S 21) haben Befürworter und Gegner am Donnerstag den Nutzen der ICE-Neubaustrecke nach Ulm diskutiert. Die Trasse wird im Zusammenhang mit dem neuen Stuttgarter Tiefbahnhof geplant. Jahrelang hatten auch die S-21-Gegner die Neubaustrecke befürwortet. Inzwischen stellen sie diese jedoch in Frage.

Zu Beginn der Schlichtung warnte Vermittler Heiner Geißler (CDU) zunächst vor zu hohen Erwartungen zum jetzigen Zeitpunkt. Er lese immer wieder, dass noch keine inhaltliche Einigung erzielt worden sei. "Noch ist nicht aller Tage Abend", sagte er. "Das Resümee ziehen wir dann, wenn wir am Ende der Schlichtung sind."

Bei den Vorteilen der geplanten Trasse zielte Volker Kefer, Technikvorstand der Deutschen Bahn, vor allem auf die Fahrzeitgewinne und die damit zu erwartende Fahrgastzunahme ab. Das Potenzial, dass möglichst viele Reisende vom Auto und vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen, sei bei den Strecken besonders hoch, die die Bahn zwischen drei und viereinhalb Stunden bewältige, erklärte Kefer. "Durch Stuttgart 21 und die Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm werden alleine im Fernverkehr netto circa zwei Millionen zusätzliche Fahrgäste erwartet." Durch schnellere Verbindungen im Regionalverkehr, etwa von Ulm über Flughafen/Messe nach Stuttgart, würden täglich 15.000 Reisende mehr den Nahverkehr nutzen.

Diesem Vorteil wollte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 nicht widersprechen. Fahrzeitverkürzungen würden alle wollen. "Es ist aber fraglich, ob die Geschwindigkeitsreduzierungen nicht durch andere Maßnahmen zu erreichen sind", sagte der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Winfried Kretschmann.

Drei wesentliche Punkte, die die Gegner gegen das Projekt vorbrachten, waren steigende Kosten, die Nicht-Tauglichkeit der Strecke für den Güterverkehr wegen der hohen Steigung und eine fragliche Wirtschaftlichkeit. Dabei spielt vor allem der hohe Tunnelanteil an der Strecke mit gut 50 Prozent eine kostspielige Rolle. "Es ist absehbar, dass die weiter steigenden Kosten das Kosten-Nutzen-Verhältnis in Frage stellen werden", sagte Grünen-Politiker Kretschmann.

Im Gegenzug kritisierten die Projektträger, dass das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 keine durchgeplanten Alternativen auf den Tisch legen könne. Offiziell werden die Kosten für die Strecke bislang auf 2,9 Milliarden Euro beziffert. Die Projektgegner rechnen hingegen eher mit Kosten in Höhe von fünf Milliarden.

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5 Kommentare

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  • JS
    Johannes Spark

    Das Geld: Wenn die Berechnungen der Deutschen Bahn so sicher sind,warum werden nicht die Verträge mit den Bau- und Ausrüstungsfirmen für die neue ICE Bahnlinie nach Ulm zu jeweiligen FESTPREISEN vergeben, die für die Laufzeit der Aufträge nicht verändert werden können? Erst dann, wenn die Konsortien der Wirtschaft diese Klausel auch verbindlich unterschreiben und sich für eventuelle Mehrkosten und Lohnsteigerungen bei Versicherungen absichern, sind solche Kostenkalkulationen seriös. Ansonsten sind diese Neubauprojekte G e l d d r u c k m a s c h i n e n für die Firmen und entsprechen nicht den Gepflogenheiten einer realistischen Kostenrechnung in einem Angebot oder in einer Ausschreibung.

    Ich denke bei den Zahlen für neue Projekte eher an die enormen Kostensteigerungen beim Eurofighter, der ursprünglich Jäger 90 hieß und der mindestens das Dreifache des ursprünglichen Preises gekostet hat.

     

    Johannes Spark, Bremen

  • H
    hto

    An den Gesichtern von Geißler, Gönner, Kefer & Co. kann man ablesen wie intrigant und blödsinnig diese "Schlichtung" ist.

  • N
    Netzlupe

    Ein "gutes Argument": Warum die Magistrale völlig irrelevant ist

     

     

    Ein kurzer Hinweis, was die taz in der Zusammenfassung zur 3. Schlichtungsrunde vergessen hat zu erwähnen...

     

    12:45 Uhr: Warum die Magistrale völlig irrelevant ist

     

    Endlich mal eine Ansage: "Für die Fahrzeiten spielt die Magistrale keine Rolle. Die Magistrale ist für die Wirtschaftlichkeit völlig irrelevant. Es geht darum, die Leute in die Züge zu bekommen." Sagt Bahnvorstand Volker Kefer und erntet basses Erstaunen. Die S21-Gegner fordern, wenn das so ist, möge die Bahn aber bitte auch nicht mehr damit werben.

     

    Frau Gönner stört das aber nicht und möchte zukünftig trotzdem weiterhin mit diesem "guten Argument" werben.

  • N
    Namaste

    "Es ist aber fraglich, ob die Geschwindigkeitsreduzierungen nicht durch andere Maßnahmen zu erreichen sind"

     

    Also Geschwindigkeitsreduzierungen sind doch sehr einfach zu erreichen. Einfach die Bahnstrecken weiter vergammeln lassen...

    Aber es sollte doch wohl eher Fahrzeitreduzierungen heissen?!?

  • SW
    Stefan Wössner

    Es gibt auch noch einfachere und weniger kostenintensive Möglichkeiten, "circa zwei Millionen zusätzliche Fahrgäste" auf die Strecke zwischen Stuttgart und Ulm zu holen.

    Zum Beispiel günstigere Fahrpreise.