Schleppende Erdbebenhilfen für Syrien: Grenze auf, Hilfe rein!
Politisch mag es komplex sein, Hilfe nach Syrien zu bringen. Faktisch braucht es aber nur eins: eine offene Grenze zwischen der Türkei und Nordsyrien.
S audi-Arabien und die irakischen Kurden haben es vorgemacht: Sie haben eigene Hilfskonvois in die von den Erbeben schwer getroffenen Gebiete Syriens geschickt, die von Aufständischen kontrolliert werden. Zuvor waren nur vereinzelt Hilfslieferungen der UN eingetroffen. Dass eine Woche nach den Beben die Hilfskonvois noch an einer Hand abzählbar sind, dass der erste UN-Konvoi überhaupt erst drei Tage nach der Katastrophe ankam, ist ein Armutszeugnis.
Für die Verschütteten in Syrien dürfte es spätestens in den nächsten Tagen endgültig zu spät sein. Sie werden dann Opfer davon geworden sein, dass es den wenigen Hilfskräften an schwerem Bergungsgerät fehlte. Aber viele Probleme, die ohnehin schon bestehen, werden erst jetzt richtig eskalieren. Es fehlt an sauberem Trinkwasser, während Regenfälle die Notunterkünfte heimsuchen könnten. Überschwemmungen bedrohen vor allem die Binnenvertriebenen in den Lagern, welche nach den Beben weiter anwachsen werden. Cholera wird sich ausbreiten.
Was es jetzt braucht, ist Hilfe in ganz großem Maßstab. Zwar ist es politisch komplex, Hilfe nach Syrien zu bringen. Faktisch braucht es aber nur eins: eine offene Grenze zwischen der Türkei und Nordsyrien. Ob das Assad-Regime es tatsächlich wie angekündigt ermöglicht, Hilfe über die Frontlinien innerhalb Syriens in die Rebellengebiete zu bringen, ist nebensächlich. Auf ein Versprechen eines Regimes, das nicht davor zurückschreckte, Aushungern als Waffe einzusetzen, darf man sich nicht verlassen. Hilfe muss direkt und von außen kommen.
Gefragt ist also die Türkei, so betroffen sie auch selbst ist. Ankara muss alle nötigen Grenzübergänge sofort für humanitäre Hilfe öffnen. Dass damit die Souveränität des syrischen Staats verletzt werden könnte, der fordert, dass die Hilfe über Damaskus abgewickelt wird und von der Regierung verteilt wird, spielt keine Rolle. Aus völkerrechtlicher Sicht braucht es keine UN-Resolution, um Menschen in Not zu helfen. Das muss jetzt genutzt werden, um schnell zu handeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe