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Schlecker-GesamtbetriebsratsvorsitzendeKämpferin mit Tränen

Seit 17 Jahren bei Schlecker, seit sechs Jahren freigestellt: Christel Hoffmann ist die Gesamtbetriebsratsvorsitzende der insolventen Drogerie-Kette.

Christel Hoffmann holt sich Kraft bei einer Ver.di-Funktionärin. Bild: dpa

Es sind schwere Tage. Die Gespräche seien „die Wahl zwischen Pest und Cholera“, sagt die 58-jährige Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Schlecker-Kette, Christel Hoffmann, zu den Verhandlungen über die rund 10.000 von Kündigung bedrohten Mitarbeiterinnen.

Seit 17 Jahren arbeitet die gebürtige Pforzheimerin, die heute noch in ihrer Heimatstadt lebt, bei dem nun insolventen Drogeriekonzern. Sie hat vor Jahren die Gespräche über die dann eingeführte Tarifbindung miterlebt, später den Streit um die Schlecker-Zeitarbeitsfirma. Und jetzt die Kündigungen. Seit sechs Jahren ist sie Gesamtbetriebsratsvorsitzende und daher von der Arbeit im Laden freigestellt.

Wenn jetzt die Fernsehkameras auf sie gerichtet sind, dann ist sie so ganz anders als die gestylten Sprechmaschinen, die man sonst aus Politik und Verbänden kennt. Sie und die anderen Kolleginnen vom Gesamtbetriebsrat sind patente Frauen, die anpacken. Hoffmann, eine Frau mit Lidstrich, Rouge und toupierter Frisur, kann man sich als Filialchefin vorstellen, die im Drogeriemarkt Kartons aus- und einräumt, selbst an der Kasse sitzt und mit den Kunden kurz vor Feierabend Scherzworte tauscht.

Dass die Kameras auf sie und die anderen Frauen hielten, als ihnen Tränen herunterliefen angesichts der drohenden Entlassungen, war nicht in ihrem Sinne. „Die Frauen haben nicht viel Medienerfahrung“, sagt Ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Franke.

Zum „Phänomen Schlecker“ gehört eine gewisse Solidarität unter den Beschäftigten. „Schlecker ist der einzige Drogerie-Discounter mit Tarifbindung“, sagt Hoffmann. Das haben sich die Frauen mit der Gewerkschaft Ver.di erkämpft. Nicht wenige haben keinen Berufsabschluss oder kommen aus anderen Branchen als dem Handel. Hoffmann, die einen Sohn aufzog, ist gelernte Industriekauffrau.

Auf die Bildung einer Auffanggesellschaft für die von Kündigung bedrohten Mitarbeiter haben sich die Bundesländer jetzt geeinigt. Die Betriebsrätin kann nur hoffen, dass die Bedingungen für eine Transfergesellschaft akzeptabel sind.

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7 Kommentare

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  • N
    Novalia

    Wer lesen kann ist klar im Vorteil!

    Ich wundere mich, was es hier für uninformierte Kommentare gibt.

    Ich kann denjenigen nun empfehlen sich mal kundig zu machen, was Sinn und Zweck einer Transfergesellschaft ist. Das ist keine Subvention von Schlecker, sondern eine Chance für die Entlassenen!

    Wer taz liest und sowas ablehnt und Tausende von Frauen lieber in die Arbeitslosigkeit gestürzt sehen will, hat in meinen Augen irgendwas nicht richtig verstanden!

    Was mit dem zu verkaufenden Filialen wird, steht ja nochmal auf einem ganz anderen Blatt - anderer Investor, anderes Unternehmenskonzept. Zum Glück!

  • EG
    es geht besser

    Die Angestellten brauchen Hilfe. Nicht der ausbeuterische Konzern. Es gibt Ketten, die, wie dm, damit zu punkten versuchen, daß sie sich an einer menschenwürdigen Personalpolitik versuchen. Das verdient Erfolg. Sollen solche Unternehmer doch in die Lücken vordringen, die durch die Schleckerschließungen entstehen und dafür die Leute einstellen, die in dem Ausbeuterkonzern Schlecker mahr als bewiesen haben, daß sie arbeiten können und nun auf der Straße stehen. Die sind es nämlich wert, mal anständige Chefs zu bekommen.

  • AJ
    Andreas J

    Wiso wird in diesen Scheißladen Staatskohle gesteckt? Als Belohnung dafür, dass sie ihre Angestellten ausgenutzt und schikaniert haben? Die Leute werden in einer anderen Drogerie kaufen, wo aufgrund der gestiegenen Nachfrage neue Arbeitsplätz entstehen werden. Oder ist Schlecker jetzt auch "systemimmanent" ?

  • A
    abby_thur

    Das es bei Schlecker viele Gewerkschaftsmitglieder hab ist ja auch schön und gut- jedoich hat das nichts daran geändert, das die Verkäuferinnen teilweise ganz alleine tagsüber im Laden waren, und Schleckerläden bekannterweise sehr oft -öfter als andere Drogerien- überfallen wurden.

     

    Ich denke, die Damen werden schon etwas anderes finden, vielleicht haben sie ja einen Vorteil davon,d ass sie bei Schlecker waren, denn man kann wohl sagen, dass sie äußerst flexibel und belastbar sind.

  • C
    Cassandra

    @von Subvention: Ich finde es sinnvoller einer Drogeriekette und deren Angestellten (die ich bis jetzt immer freundlich erlebt habe) unter die Arme zu greifen als den Banken das Geld hinterherzuwerfen. Such dir ein anderes Feindbild und heb dir deinen Sozialneid für tauglichere Zielscheiben auf...(!)

  • A
    ausgeschleckt

    Wer den schlechtesten Drogeriemarkt hat geht halt Pleite. Das sind sehr wenige Momente in denen mir die Marktwirtschaft zu funktionieren schein, dieser gehört dazu.

    Macht den laden endlich dicht! Es gibt viel Bessere, die sich ihren Marktanteil zureicht erkämpft haben.

    Wenn ich schon das Schild der Domo lese "Wir sind es Wert" kommt mir das Kopfschütteln. Jahre in einem schäbig eingeräumten Geschäft auf Kunden warten ohne was zu tun und nachher heulen... das der Laden nicht gut läuft konnte man vor Jahren in Ost und West deutlich erkennen.

  • S
    Subvention

    Komische Marktwirtschaft; Subenvention eines Drogerie-Unternehmen-Betreibers; wenn H4-Betroffene finanzielle Unterstützung haben wollen, da kneift der Staat; aber her bei Schlecker und bei seinen unfreundlichen, überl gelaaunten VerkäuferInnen wird Geld reingepumpt.

    DDR-Bürger aufwachen - die alten Betriebe können wieder aufgebaut und wieder am Laufen gehalten werden - schließlich gibt es Staatsknete hierfür!