Schlechte Betreuungsquote: 230.000 Kitaplätze gesucht
In Köln sind Eltern auf teure Tagesmütter angewiesen, da es nicht genug Kitaplätze gibt. Die SPD fordert so schnell wie möglich einen neuen Krippengipfel.
BERLIN taz | 230.000 Kitaplätze fehlen noch. Bis 2013 sollen bundesweit 750.000 Kinder unter drei Jahren in einer Krippe oder in einer Kita betreut werden können. Bislang gibt es aber erst 520.000 Plätze, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mit.
Vor allem im Westen der Republik sieht es laut Statistik dramatisch aus. Dort liegt die Betreuungsquote für unter Dreijährige durchschnittlich bei rund zwanzig Prozent. Die ostdeutschen Bundesländer haben mit 49 Prozent die Betreuungsquote bereits übererfüllt. Aber auch dort reichen die Plätze nicht. In manchen Kommunen wollen gut 80 Prozent der Eltern ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung bringen.
Schlusslicht im Kitaausbau-Ranking ist mit einer Betreuungsquote von unter 20 Prozent Nordrhein-Westfalen. Andreas Dittrich spürt das deutlich. Der Architekt in Köln - mit seinem zweiten Sohn (9 Monate alt) gerade in Elternzeit - und seine Frau haben in der ganzen Stadt zwei Jahre lang vergeblich nach einen Krippenplatz für ihren ersten Sohn (3) gesucht.
"Das nahm absurde Züge an", erzählt der Vater (38): "Da werden Vorstellungsgespräche mit einem drei Monate alten Baby um 21 Uhr und der Bitte vereinbart: Es wäre schön, wenn die gesamte Familie anwesend ist." Die berufstätigen Eltern halfen sich schließlich mit einer Tagesmutter, für 1.000 Euro im Monat. Andreas Dittrich sagt: "Dafür gingen unsere Rücklagen drauf." Auch der zweite Sohn soll in wenigen Monaten von einer Tagesmutter betreut werden.
Dass das Kitaausbau-Ziel 2013 erreicht wird, damit rechnet momentan niemand. Ohnehin wäre dann lediglich ein Drittel aller unter Dreijährigen betreut. Eine Umfrage des Deutschen Jugendinstituts ergab, dass knapp 40 Prozent aller Eltern einen Kitaplatz benötigen.
Christian Ude, Präsident des Deutschen Städtetages und Münchner Oberbürgermeister, glaubt, dass "in machen Städten sogar die Hälfte aller Eltern ihre Kinder in die Kita bringen will". Ab 2013 haben Eltern zudem einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Ude rechnet mit zahlreichen Klagen von Eltern. Den Kita-Rechtsanspruch will Ude zeitlich nach hinten verschieben.
Noch vor wenigen Monaten hat Familienministerin Kristina Schröder (CDU) versichert, "das Ziel Kitaausbau wird erreicht". Solche Aussagen grenzen schon an "Arbeitsverweigerung", kommentiert Caren Marks, familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, und fordert einen Krippengipfel - "so schnell wie möglich". Marks erklärt: "Jede Woche, die ohne Ergebnisse vergeht, ist vertane Zeit für die Eltern." Der Krippengipfel müsse eine "Bedarfsanalyse mit regionalen Unterschieden" beschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles