piwik no script img

Schlammschlachten

■ „Die Zeit“ veröffentlicht umstrittenen Bachmann-Nachlass

Die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit veröffentlicht in ihrer neuen Ausgabe erstmals Gedichte aus dem Nachlass von Ingeborg Bachmann. Über die Frage, ob man persönliche Notate, die Bachmann (1926-1973) nie autorisiert hat, veröffentlichen darf, streiten in der Zeitung Reinhard Baumgart und Peter Hamm. Baumgart plädiert für eine Veröffentlichung, da sie zu einem besseren Verständnis der Dichterin beitrage. Hamm hingegen meint, es handele sich nur um Material zu Gedichten, dessen Lektüre die Leser zu Voyeuren mache.

Die Bachmann-Gedichte aus den Jahren zwischen 1962 und 1964 und wurden von ihren Geschwistern herausgegeben. Sie entstanden nach der Trennung Bachmanns von Max Frisch. Die Verse aus dem bisher gesperrten Nachlass-Teil seien Ausdruck des Entsetzens und der langsamen Heilung, schreibt Baumgart.

Man lese die „persönlichsten Schmerzdokumente“ der Dichterin – mit dem „gleichen (und oft bestrittenen) Recht, mit dem wir Kafkas Briefe an Felice gelesen haben“. Bachmann habe diese Texte nicht wie andere „durch Vernichtung entzogen, sondern uns ausgeliefert“, so Baumgart. Die Notate ermöglichten einen Einblick in „den (man erlaube das Wort) Dreck und die Not“, aus denen Bachmanns Werk herausgewachsen seien.

Hamm wertet die Veröffentlichung als Skandal und „elenden Etikettenschwindel“. Kein vollendetes Gedicht sei in dem Konvolut enthalten. Die Leser würden zu Voyeuren bei der Lektüre der Fragmente. Vor allem die Schwester Bachmanns habe sich als Mitherausgeberin dieses Voyeurismus' – vermutlich aus Rachsucht an Frisch – bedient, schreibt Hamm und kritisiert, dass der Piper Verlag „das üble Spiel mitmacht“.Das Buch „Ich weiß keine bessere Welt. Unveröffentlichte Gedichte von Ingeborg Bachmann“ (195 Seiten, 38 Mark) erscheint Mitte Oktober bei Piper. taz/lno

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen